Der ewige Kampf um Gleichstellung

"Bürger, berget Eure Weiber!"

In Wyoming waren sie die Ersten. Schon 1869 waren Frauen in dem amerikanischen Territorium zur Wahl zugelassen. In Europa dauerte es länger: 1880 durften die Frauen der Isle of Man als erste Europäerinnen wählen, die Österreicherinnen erst 1919.

Nicht nur das "Dass", sondern vor allem das "Warum" und das "Wie" macht die Geschichte des Frauenwahlrechts spannend. Es war weniger die Fortschrittlichkeit, geschweige denn der Gerechtigkeitssinn der Männer, der es möglich machte.

In Wyoming, wo Frauen schon 1869 zur Wahl zugelassen waren, ging es nicht um Gleichberechtigung, sondern darum, die Stimmenanzahl zu erhöhen, um mehr Sitze im Washingtoner Repräsentantenhaus zu erhalten, ansonsten erhofften sich die verschiedenen Parteien schlicht möglichst viele Frauenstimmen.

Männersache Frauenwahlrecht

Die Habsburgermonarchie kannte das Frauenwahlrecht in eingeschränkter Form bereits. Allerdings galt es nur für besitzende Frauen, die auch Steuern zahlten. Die (wirtschaftliche) Idee dahinter: Frauen, die verwitwet waren und einen Betrieb führten, konnten so ihre Standesvertretung wählen. Als das Kurienwahlrecht abgeschafft wurde, verloren die Frauen das Stimmrecht wieder.

Noch vor dem Zerfall der Monarchie stand die Forderung nach einem Wahlrecht ohne Unterschied des Geschlechts im sozialdemokratischen Parteiprogramm. Adelheid Popp, die Anführerin der Sozialdemokratinnen, setzte sich auf Demonstrationen, in Zeitungsartikeln und Reden leidenschaftlich für das Frauenwahlrecht ein.

Trotzdem: Das Frauenwahlrecht musste nach Meinung der Parteigenossen warten, bis die Männer 1907 ihr Wahlrecht erhalten hatten. Den Frauen wurde damals wie heute vermittelt: zuerst gehen wir die wirklich wichtigen Dinge an, dann kümmern wir uns schon um eure Sache. Kriege, Wirtschaftskrisen oder tagesaktuelle Staatsangelegenheiten: Politik war und ist in den Köpfen vieler Männersache.

Neue Klientel

Um neue Stimmen für die Parteien zu bekommen, musste das neue Zielpublikum Frau im Wahlkampf umworben werden.

Die christlich-soziale Partei war immer für das Familienwahlrecht eingetreten. Der Familienvater sollte dabei die gesamte Familie vertreten und für sie stimmen. Konservative befürchteten, dass die Frauen ihrer Wählergruppe traditionell politisch desinteressiert wären und gar nicht zu Wahl gehen würden. Die Sozialdemokraten hingegen "politisierten" ihre Klientel und erhofften sich, mit Frauenthemen zu überzeugen.

Wie Frauen wählten

Im Dezember 1918 wurde die Wahlordnung beschlossen, am 16. Februar 1919 wählten Frauen erstmals den Nationalrat. Die Sozialdemokraten gewannen vor den Christlich-Sozialen und acht Frauen zogen ins Parlament ein: sieben Sozialdemokratinnen - unter ihnen Adelheid Popp und Gabriele Proft - und die christlich-soziale Hildegard Burjan. Für die Parteienlandschaft brachten die Frauenstimmen keine besonderen Veränderungen.

Bemerkenswert war die parteiübergreifende Frauensolidarität der ersten Jahre nach 1918. Die Politikerinnen traten für Mädchenbildung und Lohngleichheit ein. Diese Forderungen wurden abgelehnt: besser ausgebildete Frauen würden die Männer vom Arbeitsmarkt verdrängen, die Doppelbelastung das Familienleben beeinträchtigen - Argumente, die heute noch zu hören sind.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 25. Mai bis Donnerstag, 28. Mai 2009, 9:30 Uhr