Physische Anziehung vs. unkörperliche Partnerwahl

Romantische Netze

Internetdating hat die Liebe in Zeiten des Kapitalismus verändert. Die Partnersuche wird neu definiert. Singles werden dazu angehalten rational zu wählen, anstatt auf Amors Pfeil zu warten. Ist das auch das Ende der Romantik?

Für die Soziologin Eva Illouz hat die Liebe, die wir heute erleben, ihren Zauber verloren. Sie ist nicht mehr romantisch. Sie wurde entmystifiziert. Und neue Kommunikationstechnologien wie das Internet sind mit ausschlaggebend.

Ist die romantische Liebe von einer Ideologie der Spontaneität und Einzigartigkeit gekennzeichnet, so wird durch das Internet eine rationalisierte Partnersuche repräsentiert. Die physische Anziehung zweier Körper steht der unkörperlichen Partnerwahl im Netz gegenüber. Prioritäten, Vorlieben und Geschmack werden im Internet genau deklariert. Ein romantisches Kennenlernen soll immer das Ergebnis der bestmöglichen Wahl sein.

Technologie der Auswechselbarkeit

Für Eva Illouz werden virtuelle romantische Begegnungen in einem Markt organisiert, "in dem man Menschen miteinander vergleicht, ihnen einen Wert zuschreibt und das bestmögliche Geschäft macht. Die Menschen werden zu Wirtschaftsakteuren, wenn sie im Internet nach einem Partner suchen. Das Internet platziert die Suchenden in einem freien Markt mit freiem Wettbewerb."

Die Wahrnehmung verstärkt sich, dass Partner auswechselbar sind. Laut Eva Illouz macht uns diese Technologie der Auswechselbarkeit zu radikalen Relativisten in Bezug auf die Liebe. Denn Liebe kann so schnell wieder vorbei sein.

Liebe ist jung und heterosexuell

Unsere Vorstellung von Liebe wird zu einem großen Teil von Bildern aus den Medien bestimmt. Doch die medial verbreiteten Liebesideale sind beschränkt angelegt. Die Kunsthistorikerin Doris Guth beschäftigt sich in ihren Forschungen mit Liebeskonstrukten der Populärkultur.

In ihrer jüngsten Studie über die Repräsentation von Liebe in österreichischen Lifestyle-Magazinen hat sie die medialen Idealvorstellungen romantischer Liebe untersucht. Und die Ergebnisse sind in ihrer Ausprägung durchaus überraschend. Die Darstellung von Liebe bezieht sich auf junge, weiße und heterosexuelle Paare. Sowohl im redaktionellen Teil als auch in der Werbung. Die Pluralität der Gesellschaft findet hier keinen Widerhall.

Liebe, eine Sache der Frauen?

Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass die Repräsentation von Liebe absolut feminisiert ist. In Männerzeitschriften finden sich keine Beiträge zu Liebe, in Frauenzeitschriften dafür in allen Facetten. Liebe dient als Thema zur Konstruktion von Weiblichkeit und wird bei der Konstruktion von Männlichkeit bewusst ausgelassen.

"Die stereotype Zuordnung von weiblicher Emotionalität und männlicher Rationalität ist zwar bekannt, die Ausschließlichkeit trotzdem verblüffend", konstatiert Doris Guth. "Vor allem wenn man bedenkt, dass man mit diesen Bilder tagtäglich konfrontiert wird."

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 27. Mai 2009, 21:01 Uhr

Buch-Tipps
Franz X. Eder, "Kultur der Begierde. Eine Geschichte der Sexualität", Verlag C.H. Beck

Hilde Schmölzer, "Frauenliebe. Berühmte weibliche Liebespaare der Geschichte", Promedia Verlag

Yvonne Niekrenz/Dirk Villányi (Hrsg.), "LiebesErklärungen. Intimbeziehungen aus soziologischer Perspektive", Verlag für Sozialwissenschaften

Eva Illouz, "Der Konsum der Romantik. Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus", Suhrkamp Verlag

Eva Illouz, "Gefühle in Zeiten des Kapitalismus", Suhrkamp Verlag

Doris Guth/Heide Hammer (Hrsg.), "Love me or leave me. Liebeskonstrukte in der Populärkultur", Campus Verlag, erscheint im Herbst 2009