Zensur - ja oder nein?

Netzsperren

Dass man gegen die Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet vorgehen muss, darüber herrscht Großteils Einigkeit. Die Frage ist allerdings: Wie? Die ISPA, die Internet Service Providers Austria, lud zu einer Diskussion darüber.

In Deutschland gibt es einen Gesetzesvorstoß der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen für die Sperre des Zugangs zu Kinderpornografie-Websites. Der Vorschlag der Ministerin ist, das Bundeskriminalamt zu ermächtigen, ermittelte Kinderporno-Seiten unmittelbar durch Eintrag in eine Liste sperren zu lassen. Die Liste soll täglich an Provider übermittelt und von diesen exekutiert werden.

Auch in Österreich wird mittlerweile über eine derartige Sperre nachgedacht, weshalb die ISPA, die Vereinigung der österreichischen Internetserviceprovider, am 27. Mai 2009 zu Vorträgen und Diskussion über die Vor- und Nachteile von Zugangssperren für Kinderpornografie-Websites lud.

Sachliche Diskussion gefordert

Der ISPA gehe es in erster Linie einmal darum, die Diskussion von Beginn an sachlich zu führen, betont Andreas Wildberger, Generalsekretär der ISPA, denn in Deutschland seien die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern der Sperre von Websites, auf denen Kinderpornografie zu finden ist, bereits sehr verhärtet.

In Foren und Blogs wird die Familienministerin Ursula von der Leyen seit Wochen als "Zensursula" bezeichnet, weil befürchtet wird, dass unter dem Vorwand der Sperre von Kinderpornografie der generellen Zensur des Internets Tür und Tor geöffnet wird. Die ISPA ist aber sehr skeptisch, was die Sinnhaftigkeit derartiger Sperren im Kampf gegen Kinderpornografie betrifft. Diese könnten sehr leicht mit einigen wenigen technischen Maßnahmen umgangen werden, die Werkzeuge dafür finde der interessierte Laie im Internet.

Entfernen und nicht nur verdecken

Wesentlich sei auch, so Andreas Wildberger, dass nicht bloß ein Stoppschild vor die Websites gestellt würde, sondern die Inhalte entfernt werden. Aufnahmen von missbrauchten Kindern würden oft jahre- und jahrezehntelang im Internet und auf CDs und DVDs kursieren, was für die mittlerweile erwachsenen Opfer eine unglaubliche Belastung sei.

Eine deutsche Vereinigung von Menschen, die als Kinder missbraucht worden waren, meinte sogar, durch das Verdecken statt Entfernen von Kinderpornografie würden sie erneut zu Opfern. Wichtig sei deshalb, entdeckte Kinderpornoseiten sofort zu melden, so ISPA-Generalsekretär Andreas Wildberger.

"Stoppline"

Die ISPA betreibt seit elf Jahren die Initiative "Stoppline", bei der Websites mit kinderpornografischen oder auch NS-Wiederbetätigungsinhalten anonym gemeldet werden können. Die Stoppline leitet die Informationen dann an die zuständigen Behörden weiter, die gegen die Inhalte vorgehen. Sollten die Materialien auf österreichischen Servern liegen, was selten der Fall ist, werden sie entfernt, ansonsten werden Polizeibehörden im jeweiligen Land informiert.

Kinderpornografie werde oft in Ländern des Ostens produziert, so Harald Gremel, Internetermittler in der Meldestelle für Kinderpornografie des österreichischen Bundeskriminalamts. Die Opfer seien oft Kinder aus armen Ländern, die ihren Eltern abgekauft wurden. Die Fotos und Videos vom Missbrauch der Kinder würden dann oft auf Servern in den USA liegen. Da der Speicherort des Materials oft auf technischem Wege verschleiert würde und man international mit Behörden und Internetdiensten zusammenarbeiten müsse, sei es oft schwierig und langwierig, das Material zu finden und zu löschen und die Täter zu erwischen.

Deshalb wünscht man sich seitens der Ermittler die Möglichkeit der Websitesperre, um den Anbietern von Kinderpornografie den Markt zu entziehen auf dem sie Geld verdienen, mit dem sie wieder Kinder kaufen und missbrauchen. Private, die Kinder missbrauchen und Kinderpornografie sammeln und tauschen, erwischt man damit aber meist nicht.

Willkürliche Zensur?

Der Wunsch nach Websiten-Sperren zur Bekämpfung der Kinderpornografie sei verständlich, so Andreas Wildberger, doch neben der Tatsache, dass Menschen mit krimineller Energie sie leicht umgehen können, würden sie eine weitere Gefahr bergen, nämlich jene der willkürlichen Zensur.

Bürgerrechtler in Deutschland haben bereits aufgezeigt, dass auf den Listen angeblicher Kinderpornografie-Sites in Finnland oder Dänemark auch Websites gelistet waren, auf denen nichts Derartiges zu finden war. In Schweden war sogar versucht worden, die Website der von der Unterhaltungsindustrie bekämpften Pirate Bay auf die Liste zu setzen, die nichts mit Kinderpornografie zu tun hat.

Hör-Tipp
Digital.Leben, Donnerstag, 28. Mai 2009, 16:55 Uhr

Links
ISPA-Forum 27.5.2009
Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur
"Zensursula" kann Kritiker nicht überzeugen
c't - Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere

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