Wenn Männer zu Vätern werden
Beruf und Familie
Die hürdenreiche Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt viele Mütter und einige Väter vor die Herausforderung, den Familienalltag zu meistern. Es gilt kleine und mittlere Katastrophen, die sich im Zusammenleben mit Kindern ereignen, zu meistern.
8. April 2017, 21:58
Für berufstätige Mütter und Väter ist die organisatorische Meisterleistung gefragt, diverse diametral entgegengesetzte Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, und trotzdem nicht den Mut zu verlieren. Auf der Suche nach dem neuen Mann geraten Jungväter aber auch in Identitätskrisen. Denn mit Kindern an der Seite bleibt kein Stein am anderen. Selbstwert und Selbstbestimmung sind in Frage gestellt.
Kinderlose Gesellschaft?
Kreative Lebenskonzepte kombiniert mit straff durchorganisiertem Zeitmanagement: Mit diesem Anspruch machen die neuen Väter Schlagzeilen. Doch glaubt man den Soziologen Jan Eckhard und Thomas Klein von der Universität Heidelberg, dann sind es die Männer, die für die niedrige Geburtenrate in Deutschland und Österreich verantwortlich sind.
Nach ihrer Studie: "Männer, Kinderwunsch und generatives Verhalten", die im Jahr 2006 erschienen ist, will jeder vierte Mann kinderlos bleiben. "Kinder senken den Status", meinten die Befragten. Kinder kosten Geld, Zeit und Aufmerksamkeit. Und Partnerinnen erwarten, dass sich die Väter verstärkt im Familienleben engagieren. Fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen und schlecht bezahlte Teilzeitjobs lassen darum vor allem die Männer vor einer Familiengründung zurückschrecken.
Statistisch gesehen werden derzeit 1,4 Kinder pro Frau in Österreich geboren. Und Mütter und Väter entschließen sich immer später, Kinder zu bekommen. So liegt das Durchschnittsalter bei den Vätern mit 34,1 Jahren so hoch wie nie. Rund 90Prozent der Paare leben vor allem während der ersten drei Lebensjahre des Kindes nach dem traditionellen Modell: die Mutter bleibt beim Kind, der Vater ist voll erwerbstätig. Obwohl Väter immer größeres Interesse zeigen, mit ihren Familien auch Zeit zu verbringen.
Karenzväter wollen Anreize
Doch nur etwa drei Prozent der Väter nehmen die Möglichkeit wahr, in Karenz zu gehen. Ein Hauptgrund dafür sind die finanziellen Einbußen, die Väter in Kauf nehmen müssen. Das wollte die deutsche CDU Politikerin Ursula van der Leyen ändern. Im Jahr 2005 brach sie mit dem Slogan auf: "Neue Väter braucht das Land".
Um diese neuen Väter zu erziehen, bot sie von Seiten des Staates an, das so genannte Erziehungsgeld in den ersten 14 Lebensmonaten drastisch zu erhöhen, wenn die Väter zwei Monate davon beim Kind blieben. Damit wollte sie erreichen, dass Väter mehr Bezug zu ihren Kindern erwerben - und einen größeren Respekt vor der Erziehungsaufgabe entwickeln.
Der Erfolg war bemerkenswert. Denn 20 Prozent der Jungväter machen heute in Deutschland von diesem Angebot Gebrauch. Mit der Diskussion um ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld, das derzeit überlegt wird, soll auch in Österreich ein größerer Anreiz für Männer geschaffen werden, zumindest einige Wochen mit dem Kleinkind zu verbringen.
Es gibt noch andere Rahmenbedingungen, die es den Vätern schwer machen, für ihre Kinder da zu sein. Denn sowohl in Österreich wie in Deutschland gilt Familie und Kindererziehung als Privatangelegenheit. Staatliche oder private Institutionen werden also in Zukunft mehr Verantwortung im Bereich von Familie und Kindererziehung übernehmen müssen, um dem sozialen Wandel, der sich abzeichnet, gerecht zu werden.
Prekäre Arbeitsverhältnisse sind familienfeindlich
Die internationale Vernetzung von Wirtschaft, Politik und Kultur beschleunigt diese Prozesse, erklärt der Soziologe Hans- Peter Blossfeld vom bayrischen Staatsinstitut für Familienforschung. Und: sie produziert soziale Unsicherheit. Betroffen davon ist vor allem die junge Generation.
Diese Veränderungen am Arbeitsmarkt haben für die Familienplanung Konsequenzen. Denn junge Frauen und Männer leben trotz guter Qualifikationen durchschnittlich fünf Jahre in prekären Arbeitsverhältnissen, bis sie ihren ersten längerfristigen Job erhalten. In dieser Zeit der Unsicherheit gründen nur wenige eine Familie. Und: Wenn sie endlich einen Job gefunden haben, sind viele nicht bereit, diesen sofort wieder auf zu geben.
Der Druck, unter dem junge Männer und Frauen Familien gründen, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich erhöht. Und die Doppelbelastung von Beruf und Familie betrifft beide Geschlechter. Wie die beiden Geschlechter mit der Doppelbelastung umgehen, ist jedoch sehr verschieden, sagt der Dortmunder Soziologe Michael Meuser. Er hat so genannte Doppelkarrierepaare befragt.
"Wo beide: Mann und Frau, ihre Karriere verfolgen, übernimmt die Frau das Zeitmanagement von Familie und Beruf. Ihre Aufgabe ist die Organisation des Familienalltags."
Voll- und Teilzeit-Väter
Das neue Vaterbild ist jedoch zum Thema geworden. Und in Zeitschriften und Magazinen wird es seit Jahren beschworen. Mit der Unterstützung von Info-Netzwerken wie http://www.vaeter.de oder http://www.junge-vaeter.at werden Männer darin bestärkt, ihrer neuen Rolle gerecht zu werden.
Doch sind es selten Vollzeitväter, die hier angesprochen werden, sagt Michael Meuser. Die Adressaten sind berufstätige Männer, die Feierabends und am Wochenende auch Zeit mit den Kindern verbringen wollen. Der Feierabendvater ist der Spielkamerad des Kindes. Er ist für Sport und Spaß zuständig. Doch er bereitet weder die Mahlzeiten zu noch versorgt er die Wäsche. Auch die Betreuung der Schulaufgaben ist Domäne der Mutter.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 8. Juni bis Mittwoch, 10. Juni 2009, 9:05 Uhr
Buch-Tipps
Dieter Bednarz, "Überleben an der Wickelfront", DVA Sachbuch 2009
Hermann Gruner, Eckhard Kuhla (Hg), "Befreiungsbewegung für Männer", Psychosozial Verlag 2009
Dagmar Leupold, "Nach den Kriegen", C. H. Beck 2004
Brigitte Schwaiger, "Lange Abwesenheit," Rowohlt Taschenbuch Verlag 1982
Dieter Thomä, "Väter, Eine moderne Heldengeschichte", Carl Hanser Verlag 2008
Links
Väter.de
Junge Väter.de