Neue Studien zu ADHS

"Er gaukelt und schaukelt, er trappelt und zappelt"

Das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) zählt zu den häufigsten kindlichen Verhaltenssauffälligkeiten, die bis ins Erwachsenenalter fortwirken können. Neue Studien sollen Licht in die Pathophysiologie der Erkrankung bringen.

ADHS äußert sich vor allem durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität in ungewöhnlich hohem Ausmaß. Zu den wichtigsten Diagnosekriterien zählt, dass die Störung bereits vor dem siebten Lebensjahr aufgetreten sein muss und die Hauptmerkmale der Erkrankung in mindestens zwei unterschiedlichen Lebenssituationen, zum Beispiel zu Hause und in der Schule, zu beobachten sind.

Vom kindlichen zum Erwachsenenproblem

Nach den jüngsten Untersuchungen kann man davon ausgehen, dass im Schnitt etwa 5,3 Prozent aller Kinder weltweit von ADHS betroffen sind. Bei etwa der Hälfte von ihnen bleibt die Erkrankung im klinisch relevanten Ausmaß bis ins Erwachsenenalter bestehen.

Wenn ADHS nicht diagnostiziert und behandelt wird, hat das später weit reichende Folgen: Innere Unruhe, Aufmerksamkeitsschwäche und Affektausbrüche führen zu erheblichen Problemen bei der Organisation des Alltagslebens, in Beruf und Partnerschaft. In besonders schweren Fällen kommt es zu Alkohol- und Drogenmissbrauch, das Unfallrisiko steigt und manche Menschen rutschen sogar in die Kriminalität ab.

Eine multifaktoriell bedingte Erkrankung

Nach derzeitigem Stand der Erkenntnis ist das ADHS multifaktoriell bedingt, entsteht also aus einem Zusammenwirken mehrerer genetischer, neurobiologischer, psycho-sozialer und allgemein umweltbedingter Faktoren.

Was man sicher weiß, ist, dass es sich um eine vorwiegend erblich bedingte Stoffwechselstörung im Gehirn handelt, die bestimmte funktionelle Systeme beeinträchtigt. Betroffen sind vor allem der präfrontale Cortex und Areale von Hirnstamm und Kleinhirn.

Sobald der Stoffwechsel verschiedener Neurotransmitter (vor allem der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin) aus dem Gleichgewicht gerät, wirkt sich das sowohl auf Stimmung und Gefühlslage als auch auf die kognitiven Fähigkeiten aus.

Durch Psychostimulantien - Amphetamine und amphetaminähnliche Wirkstoffe (vor allem Methylphenidat), aber auch andere Arzneien mit ähnlichen Wirkmechanismen (z.B. Atomoxetin, ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer), kann der Neurotransmitter-Stoffwechsel im Gehirn wieder in Balance gebracht werden. Begleitend kommen zur Behandlung von ADHS verhaltenstherapeutische Maßnahmen zum Einsatz.

Den Genen auf der Spur

Für die Störung scheinen Genvarianten, nicht Gendefekte, mitverantwortlich zu sein. Geforscht wird an Familien, in denen ADHS gehäuft und über mehrere Generationen auftritt. Mittlerweile konnten eine Reihe von Genregionen ausgemacht werden, in denen die Wissenschaftler weitere, noch nicht identifizierte Gene vermuten, die bei ADHS eine Rolle spielen.

Während man früher davon ausging, dass das Gehirn mit dem Erreichen des jungen Erwachsenenalters keine Restrukturierung mehr erfährt, weiß man heute, dass es Gene gibt, die im weiteren Verlauf des Lebens den Umbau und die Anpassung bestimmter Gehirnstrukturen an Umweltanforderungen mit bewerkstelligen können.

Auch das im Zusammenhang mit ADHS wichtige dopaminerge System verändert sich vermutlich bis ins Erwachsenenalter hinein und ist besonders anfällig für negative Einflüsse von außen. Das können chemische Stressoren sein, aber auch Lebensumstände, die dazu beitragen, dass sich dieses wichtige Neurotransmitter-System krankheitsrelevant verändert.

Krankmachende Umweltfaktoren

Als gesichert gilt, dass - wahrscheinlich zusammen mit entsprechender Veranlagung - Alkohol- und Nikotinmissbrauch in der Schwangerschaft ADHS mit verursachen kann. Nicht zu unterschätzen dürfte auch die permanente Reizüberflutung von Kindesbeinen an sein.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-Störung ist zwar zu einem erheblichen Teil erblich bedingt, die Ausprägung zum Problem ist aber von diversen Umweltfaktoren abhängig.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 3. Juni 2009, 19:05 Uhr