Haydn im Interpretationsvergleich
Symphonien für Paris
Haydn war in Paris bereits ein Star, als sich Mozart in Wien mühsam als Komponist zu etablieren begann. Haydns Symphonie Nr. 82 ist die erste der sechs Pariser Symphonien. Ihr Beginn ist außergewöhnlich - und verlangt außergewöhnliche Interpreten.
8. April 2017, 21:58
Symphonie Nr. 82, 1. Satz
Als sich Mozart in Wien mühsam und langsam als Komponist zu etablieren begann, da war Haydn in Paris ein Star. Vor allem seine Symphonien erfreuten sich in der französischen Metropole größter Beliebtheit. Die Pariser hatten schon Haydns frühesten Symphonien aus den 1760er-Jahren in Druck gegeben, was für damalige Verhältnisse eine ungewöhnliche Anerkennung bedeutete. Kein Wunder, dass die Pariser Mitte der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts bei Haydn sechs Symphonien bestellten; kein Wunder, dass sich Haydn für die Pariser Besonderes ausdachte.
Die prestigeträchtigsten Konzertveranstaltungen waren in Paris damals die Concert spirituel und das Concert de la Loge Olympique. Vermutlich 1784 begannen Vertreter der Loge Olympique "Verhandlungen mit Haydn mit dem Ziel, die Komposition von Symphonien für das Concert de la Loge Olympique in Auftrag zu geben. Haydn war zu diesem Zeitpunkt bereits ein ungemein populärer Komponist, und die Auftraggeber scheuten sich nicht, einen hohen Preis für die Symphonien zu zahlen: Für jede erhielt Haydn 25 Louis d'or, damit das Fünffache dessen, was in Paris üblicherweise für Symphonien gezahlt wurde", so Michael Walter in seinem Buch "Haydns Sinfonien". Zum Vergleich: Mozart bekam für seine "Pariser Symphonien" (KV 297) 5 Louis d'or.
Kontrastreich anhebende 82. Symphonie
Die Symphonien entstanden alle im Zeitraum 1785/6. Die (nach der Zählung des Hoboken-Verzeichnisses) erste der sechs Pariser Symphonien ist die Nr. 82. Besonderheit der Nr. 82: ein kontrastierend angelegtes Thema gleich zu Beginn im ersten Satz. Es gibt keine langsame Einleitung, das wird bei Haydn erst später zum Standard.
Fanfarenartig beginnt das Thema, nach vier Takten gibt es eine lyrische Beantwortung durch die Streicher, die im Kontrast zum Beginn eine zarte Melodie spielen. Dem Fortissimo des Beginns steht ein Piano gegenüber, die einfache Fanfare, die den C-Dur-Dreiklang mit dem ganzen Orchester abspielt, wird durch eine kantable Melodie in kleinen Tonschritten beantwortet.
Kuijken und Weil
Ein langsames Tempo wählen Sigiswald Kuijken und das Orchestra of the Age of Enlightement. Dadurch erhält der Beginn dieser Symphonie einen majestätischeren Charakter als beim Ensemble Tafelmusik unter Bruno Weil, der ein schnelleres Tempo wählt, wodurch alles wesentlich leichtfüßiger und verspielter wirkt (zu hören im zweiten Teil unseres Audios).
Harnoncourt verstärkt Haydn
Hören Sie dazu im Vergleich die Version von Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus im dritten Teil unseres Audio-Files: deutlicher hervorgehoben die Bläser, das Tempo etwas langsamer. Hier wie auch an anderen Stellen verstärkt Harnoncourt die von Haydn komponierten Ereignisse: Den lyrischen Teil des Themas nimmt er etwas verlangsamt, den majestätischen, fanfarenartigen etwas geschwinder.
Unerwartete Scherze
Anschließend komponiert Haydn eine dieser Überleitungen zu einem zweiten Thema, die immer wieder Dirigenten und Orchester dazu verführen, einfach dahinzuspielen, die Spannung zu verlieren, als wüssten sie nichts damit anzufangen. Dabei komponiert Haydn hier oft einige seiner unerwarteten Scherze. Hören Sie im vierten Teil unseres Audios eine Passage wenige Takte nach dem zuvor Gehörten, eine Stelle, kurz bevor eine markantes neues Thema in der Dominanttonart beginnt. Es spielt zunächst das Orchestra of the Age of Enlightement unter Sigiswald Kuijken.
Hören Sie im fünften Teil unseres Audios, wie Harnoncourt mit diesen immer leiser werdenden Akkorden des Orchesters umgeht - wieder verstärkt er durch seine Interpretation, was Haydn komponiert hat. Die komponierte Zurücknahme, das Abebben des vollen Orchesterklangs mit gleichzeitig harmonisch reizvoller Chromatik verstärkt Harnoncourt durch ein deutliches Langsamer-Werden, Herauszögern der Akkorde.
Viele Wege führen bekanntlich nach Rom. Aber an Gestaltungsvielfalt ist Harnoncourts Aufnahme der Pariser Symphonien allen anderen um Längen voraus.
Mehr zu Haydn in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 17. Juni 2009, 10:05 Uhr
Buch-Tipp
Michael Walter, "Haydns Sinfonien", Beck
CD-Tipps
Joseph Haydn, Pariser Symphonien, Orchestra of the Age of Enlightement, Sigiswald Kuijken, Virgin Cla (EMI)
Joseph Haydn, Pariser Symphonien, Tafelmusik, Bruno Weil, Sony
Joseph Haydn, Pariser Symphonien, Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt, dhm (Sony Music)
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