Kurt Schwertsik

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Happy Birthday!

Kurt Schwertsik zum 90er

Fröhlich feiern mit dem Komponisten Kurt Schwertsik.

Als Kurt Schwertsik vor dreißig Jahren frischfröhlich seinen 60. Geburtstag im Kreise seiner Familie feiert - unter indiskreter Beobachtung durch ein Ö1 Mikrofon - fragt er seine Tochter, was sie ihm denn wünschen würde, das würde ihn schon interessieren. Naja, sagt die Tochter, sie würde ihm natürlich gern ein langes Leben wünschen, aber bedenkend, dass seine Mutter, damals 88 Jahre alt, ihm das ja vorleben würde, dass das sowieso passieren wird, müsse sie ihm das wohl nicht eigens wünschen.

Kurt Schwertsik lacht und ist zufrieden. Und, fügt die Tochter dann noch hinzu, nicht einfach nur alt werden sei das Thema, sondern bei bester Gesundheit und Wachheit. Nun feiert Kurt Schwertsik seinen 90. Geburtstag und er erfüllt alle Kriterien, die seine Tochter ihm vor dreißig Jahren vorgeben hat: quasi pumperlgsund und bei allerbester Vitalität in jeglicher Hinsicht.

"Beglückende" Lern- und Lehrjahre

Springen wir jetzt kurz nicht dreißig, sondern siebzig Jahre zurück im Leben von Kurt Schwertsik. Die frühen Jahre des Komponisten, die er selbst als Lern- und Lehrjahre bezeichnet, also die späten 1950er bis in die mittleren 1960er Jahre, empfand und empfindet er selbst als besonders beglückende Zeit. Er ist in Wien, Donaueschingen und Darmstadt zugange, in Venedig, London, Köln, teilweise mit Stipendien, zu Beginn der 60er Jahre auch in Rom. Es wäre jetzt Namedropping, all jene Komponisten und Künstlerinnen aufzuzählen, die damals entscheidende Einsichten und vergnügliche Zeiten lieferten, aber wer diese "Magical Mystery Tour" des Kurt Schwertsik von Cage über Kagel zu Cardew nach- und miterleben will, muss sich ein unlängst erschienenes Buch kaufen: "was & wie lernt man" heißt Kurt Schwertsiks Erinnerungsbuch an diese Jahre, erschienen im Lafite Verlag.

Trotzdem hier jetzt gleich noch ein paar Namen zum Überblick: Man arbeitet, scherzt, musiziert und dinniert mit den Komponisten Karlheinz Stockhausen, John Cage, Pierre Boulez, Nam June Paik, Luc Ferrari, Luigi Nono, Mauricio Kagel und natürlich Friedrich Cerha und dann Heinz Karl Gruber in Wien und, vielleicht sollte man sagen "vor allem" mit Cornelius Cardew. Und es sind jene Jahre, in denen Kurt Schwertsik seine ersten sieben, mit Opuszahlen versehenen Werke schreibt.

Morton Feldmans Spuren

1961 in Rom hat Kurt Schwertsik das Stück "Salotto Romano" mehr oder weniger fertiggestellt, 1963 in Köln bekommt er die Gelegenheit, das Stück in einem WDR-Studio einzuspielen. Und möglicherweise sei es, das deutet Kurt Schwertsik in diesem erwähnten Buch kurz an, jenes seiner Stücke, in dem der knapp zehn Jahre ältere Morton Feldman tatsächlich Spuren hinterlassen hat. Das Stück von Schwertsik aus 1961 ist ein wenig harscher und im Detail unerwartbarer als die Feldman-Stücke dieser Jahre, aber mit ähnlicher Subtilität des Nachhörens jeder einzelnen Klangkonstellation ausgestattet. Die Komposition "Salotto Romano" ist das Opus 5 von Kurt Schwertsik. An Schwertsiks Geburtstag im Ö1-Nachmittagskonzert wird dieses schöne Stück zu hören sein.

Man tut das natürlich nicht, aber ich tu es jetzt trotzdem, nämlich in so einem Text die Ich-Form zu verwenden. Ich bin nämlich unerhört glücklich und stolz, während der letzten zwanzig Jahre an drei verschiedenen Ö1 CD-Editionen mit Musik von Kurt Schwertsik als initiierende Kraft beteiligt gewesen zu sein.

Kurt Schwertsik

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Drei Ö1 CD-Editionen

Im Jahr 2007 erschien eine Doppel-CD mit Schwertsiks gesamten Streichquartetten. Diese wunderbare, musikalische Reise durch mehrere Jahrzehnte interpretierte das Wiener Koehne Quartett und als klanggenauer ORF-Tonmeister agierte Martin Leitner. Auch bei der nächsten dieser CDs war Leitner wieder in dieser Funktion dabei, aber diesmal war seine Aufgabe eine ganz andere: Wir hatten Kurt Schwertsik gebeten, uns doch seine alten, sagen wir "semi-professionell" aufgenommenen Audiocassetten mit seinen Theatermusiken ins Wiener Funkhaus mitzubringen. Wir könnten die alten Mitschnitte ja digitalisieren und schauen, was man machen kann. Man konnte was Wunderbares daraus machen und seither gibt es die Theatermusiken, die Kurt Schwertsik für Johann Kresnik entworfen, gebastelt und komponiert hat, auf einer Ö1 CD: "Wozu brauch ich Füße, wenn ich fliegen kann."

Und dann schwebte mir als Abschluss der CD-Trilogie noch etwas vor, das möglicherweise genauso spröde klingen würde, wie der Arbeitstitel, aber genau sensationell sein wie das immanente Versprechen: "Kurt Schwertsik, Opus 1 bis 7, ‚Liebesträume im Salotto Romano‘". In nicht unaufwändiger Arbeit suchten wir nach eventuell vorhandenen Originalaufnahmen mit den damaligen Protagonisten, Martin Leitner war im Studio im Funkhaus auch wieder mit dabei. 1958, ORF Landesstudio Klagenfurt: Friedrich Cerha spielt Violine, Ivan Eröd Klavier und Kurt Schwertsik selbst das Horn, beispielweise. Und was es nicht in historischen Mitschnitten gab, wurde neu aufgenommen. Das unerwartbar unterschiedliche Frühwerk von Kurt Schwertsik ist seitdem hörbar zugänglich.

Ö1 feiert mit

Im "Ö1 Konzert" an Schwertsiks Geburtstag am 25. Juni 2025 um 14.05 Uhr sind einige der hier erwähnten CD-Produktionen der letzten Jahre zu hören. Von Kurt Schwertsik empfohlene Musik gibt es im "Zeit-Ton" am Tag davor und weitere Musik von Kurt Schwertsik ist in "Opus - das Musikkolloquium" am 19. Juni um, 15.05 Uhr zu hören.

Gestaltung

  • Christian Scheib