Verletzlichkeit und Eigensinn
Streitbare Ileana Cotrubas
Bei konzertanten Wiener Opernabenden - keine Regie, bitte! - sitzt Ileana Cotrubas oft im Publikum, mit dunklen Brillen. Ihren 70. Geburtstag am 9. Juni hat sie nicht groß feiern lassen. Weiß sie, wie sehr sie weiterhin geliebt und verehrt wird?
8. April 2017, 21:58
Ileana Cotrubas als Mimi
Solche Geschichten erzählt man sich von ihr: Einmal in Zürich, vor einer "Boheme"-Aufführung. Der Vorhang öffnet sich, heraus tritt Ileana Cotrubas, die als Mimi angesetzt ist. Die Inszenierung hier sei so scheußlich, dass sie eigentlich sofort wieder hätte abreisen wollen. Nur das Argument der Direktion - "Aber gnädige Frau! So viele sind nur Ihretwegen gekommen!" - hätte sie umgestimmt.
Sie werde also singen - aber unter Protest! Vor fast 20 Jahren hat Ileana Cotrubas beschlossen, dass es mit der Oper genug ist. 20 Jahre schon? Es will einem niemand glauben - so starken Eindruck hat Ileana Cotrubas gemacht.
Singen mit "Menschenton"
Ileana Cotrubas hatte eine Stimme, die unter hunderten Stimmen sofort als die ihre wiedererkennbar ist: vor Erregung vibrierend, luftig, ganz und gar nicht Marke "robustt, prall, immer bereit". "Menschenton". Und sie war eine begnadete Schauspielerin, die noch in der klischeehaftesten Szene die Verletzlichkeit, aber auch den Lebenswillen ihrer Figuren plastisch machte.
Das letzte Aufbäumen der Violetta, das bittersüße Verdämmern der Mimi - wer das mit Ileana Cotubas erlebt hat, dem greift selbst die Erinnerung noch ans Herz.
Schlagkräftige Ileana Cotrubas
Alles zu machen, überall zu sein - dafür war sich Ileana Cotrubas zu gut und ihre Selbstkritik zu groß. In Salzburg hat Ileana Cotrubas schon in sehr jungen Jahren viel Mozart gesungen, noch umhegt vom alten Bernhard Paumgartner. In der legendären Jean-Pierre-Ponnelle-Inszenierung der "Zauberflöte" in der Felsenreitschule war sie die Pamina, Herbert von Karajan holte sie immer wieder für seine Salzburger "Figaro"-Aufführungen.
Ob die Bühnen-Ohrfeigen, die Susanna ihrem Figaro zu verpassen hat, bei Ileana Cotrubas echt "gesessen" haben? Wie viel streitbare Energie in der kleinen Person steckt, zeigt nicht zuletzt die Autobiographie, die Ileana Cotrubas vor etlichen Jahren geschrieben hat und in der niemand verschont bleibt, der es nicht verdient hat. Wer über die Anfänge der Sopranistin daheim in Rumänien mehr erfahren will, über den Weg vom Kinderchor der Bukarester Nationaloper zu den ersten Soloauftritten am Haus, findet auch diesen Lebensabschnitt in den "Opernwahrheiten" beschrieben.
Erfolge in Wien
Die Gewinnerin einer ganzen Serie prominenter Gesangswettbewerbe wurde noch in den 1960er Jahren künstlerisch an der Wiener Staatsoper heimisch. So ging der gefeierten Münchner "Traviata"-Studioeinspielung mit Ileana Cotrubas als Violetta, unter der Leitung von Carlos Kleiber, im Haus am Ring zum Beispiel eine "Traviata"-Premiere mit ihr Josef Krips am Pult voraus.
Ob als Sophie im "Rosenkavalier", ob als Tatiana in "Eugen Onegin": In Wien konnte Ileana Cotrubas alle ihre Facetten zeigen, und im "Bajazzo" von 1985 dann auch so viel verzweifelte Energie, um als Nedda dem entfesselten Canio Placido Domingo bis zur letzten Sekunde Paroli zu bieten. Domingo war oft und oft auch im Plattenstudio ihr Partner, im "Liebestrank", in "Carmen", in Charpentiers "Louise", in "Rigoletto" mit Carlo Maria Giulini als Dirigenten.
Dabei muss Ileana Cotrubas bekennen: "Im Studio hatte ich Schwierigkeiten mit den Mikrophonen. Ständig vergaß ich, sie zu beachten. Meine imaginäre Welt war ganz woanders. Ich habe mich immer mit der Rolle identifiziert und mit unglaublichem Vergnügen gesungen, in einer anderen Welt - in gewisser Weise in einer Art von Ekstase." Die Abende, an denen sie ihr Publikum in diese andere Welt mitgenommen hat, klingen immer noch nach.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 18. Juni 2009, 15:06 Uhr