Mohammed Hanifs Roman über einen Flugzeugabsturz

Können Mangos explodieren?

Was geschah im Sommer 1988 in Pakistan? Wieso knallte das Präsidentenflugzeug vier Minuten nach dem Start auf den Boden? Weshalb musste der Roman über jenen Crash in London veröffentlicht werden? Und wieso ist er jetzt doch Bestseller in Pakistan?

Der ungeklärte, unnatürliche Tod eines Diktators ist immer Anlass zu wilden Theorien. Die Geheimdienste verschiedenster Länder werden aus den unterschiedlichsten Ursachen beschuldigt. Technische Mängel werden der Luftmaschinenwartung und der Herstellerfirma angelastet. Untersuchungskommissionsmitgliedern werden nur falsche Ergebnisse zugetraut.

Die Wahrheit - gäbe es sie als Person - bleibt unbelästigt hinter Schleiern von bewussten und unbewussten Halbwahrheiten verborgen, lächelt vielleicht sogar über die tölpelhaften Konstrukte, die jeden Blick auf eine plausible Lösung verstellen. Dass es im Fall des Todes von Zia ul-Haq keine einfache Lösung gibt, vermutet Mohammed Hanif in seinem ersten Roman "Eine Kiste explodierender Mangos". Er serviert einen brillanten Mix aller möglichen Lösungen, der auf einer gesunden Basis satirischer Betrachtung der pakistanischen Armee ruht.

Vom Soldaten zum Journalisten

Die Armee kennt Mohammed Hanif aus eigener Erfahrung. Als Sechzehnjähriger hatte er sich zur Luftwaffe gemeldet, um der tödlichen Langeweile seines heimatlichen Dorfes zu entkommen. Doch schon der erste Flug ließ ihn seine Entscheidung bereuen: "Es ist kein guter Einstieg", erinnerte er sich in einem Interview, "wenn man in seine Sauerstoffmaske kotzt!" Immerhin hat er es trotz verschiedenster Beschwerden fast fünf Jahre bei der Armee ausgehalten, bevor er, einen Monat nach Zias Tod, den Dienst quittierte.

Er begann, als Journalist zu arbeiten. Theaterstücke zu schreiben: "The Dictators Wife" wurde 2008 beim Edinburgh's Fringe Festival aufgeführt. Und er zeichnet für den 2002 entstandenen ersten digitalen Film Pakistans verantwortlich: "The Long Night", eine Quasi-Dokumentation, die das Aufeinanderprallen zweier Welten, der des Geschäftsmannes Waleed und der einer Frau zweifelhaften Rufs im "Bauch von Karachi" - zeigt, wurde von der Kritik vor allem in Großbritannien sehr gelobt. Und dann begann er im Jahr 2003, 17 Jahre nach dem Tod Zia ul-Haqs, seinen Roman zu schreiben.

Kein Visum für den Pakistani

Aus Langeweile sei der Roman entstanden, erklärt Mohammed Hanif. Er habe den Roman verschiedenen Verlagen in Pakistan angeboten. Weil aber die Söhne mehrerer Opfer des Flugzeugsabsturzes 1988 wichtige Positionen in Pakistan inne hatten, riet man von einer Veröffentlichung in Pakistan ab. So blieb London.

Ein Glück für Mohammed Hanif. Wer weiß, ob ihn sonst so viele Menschen in bedeutenden Gremien entdeckt hätten: die Juroren des Booker-Price setzen ihn 2008 auf die "Long-List", die Juroren des Commonwealth Writers Price kürten ihn 2009. Peinliche Panne, als Mohammed Hanif mit Frau und Sohn zur Preisverleihung nach Neuseeland kam: man ließ ihn nicht ohne weiteres ins Land, hielt ihn mehrere Stunden im "Niemandsland" fest. Der Grund: er sah aus "wie ein Pakistani".

Zurück nach Karachi

Angeblich sei dies auch der Grund gewesen, weshalb er wieder aus London weggezogen und nach Karachi zurückgekehrt ist. Wieder zuhause sein, nennt er es, und behauptet, zufrieden und glücklich zu sein. Und das, obwohl die Polizei auf ihn geschossen hat, was ihn zu einem schnellen Sprung in einen Graben veranlasste. Die diversen Stromausfälle stören ihn nicht, meint er, darüber würden sich eher die Ladies ärgern, weil dann ihre Trockenhauben ausfielen.

Auf die Herrschaft der Taliban im Swat-Tal angesprochen, reagiert er zurückhaltend. Von Karachi wären sie tausend Kilometer entfernt. Und: sie würden schon noch merken, dass sie ohne Frauen nicht weit kämen. Wie man auch in Pakistan gemerkt hat, dass man nicht unbedingt für die Taliban sein muss, wenn man gegen die USA ist, sondern beide ablehnen kann. Er bleibt vorsichtig in seinen Aussagen. Klar: er lebt in Karachi, und schlafende Hunde weckt man nicht!

Rilke als Todesursache

Und nun erschien sein Roman doch auf Urdu in Pakistan und wurde überraschend zum Bestseller. Die Reaktionen der Söhne hielten sich in Grenzen. Auch die Militärs wetterten nicht. Bis jetzt. Aber vielleicht liest man als pakistanischer Militär wirklich kein anderes Buch außer der "Kunst des Krieges" von Sunzi. Jedenfalls suggeriert das der Ich-Erzähler des Romans, der mit einiger Befremdung die Lesewut seines Freundes "Baby O" konstatierte. Und sie für dessen Tod verantwortlich machte. Er selbst hatte es geschafft, die Todesmaschine wenige Minuten vor dem Start zu verlassen. Baby O aber war in einen Gedichtband vertieft - Rilke - und wollte nicht aussteigen. Weshalb Rilke vermutlich auch in Zukunft außergewöhnliche Lektüre in Pakistan bleiben wird, zumindest für Militärs.

Service

Mohammed Hanif, "Eine Kiste explodierender Mangos", A1 Verlag

Culturbase.net - Mohammed Hanif
Frankfurter Rundschau - Mohammed Hanif, "Taliban sind Banditen mit Bärten"
Qantara.de - Eine verworrene Geschichte (Buchrezension)
Qantara.de - Mohammed Hanif, "My Country, Caving to the Taliban"
Falter - Eine Kiste explodierender Mangos (Buchrezension)
Times Online - Mohammad Hanif lands on his feet