Wettbewerb im öffentlichen Sudern

Der erste Weinviertler Jammercontest

Wer jammert, lebt noch. Doch nur im Stillen klagen, ist nicht genug. In der mobilen Jammerkabine, die am niederösterreichischen Viertelfestival unterwegs ist, darf man der Unlust lautstark Ausdruck verleihen. Eine Fachjury prämiert die besten Beiträge.

Suderanten in der Jammerkabine

Der erste Weinviertler Jammercontest wird im Rahmen des niederösterreichischen Viertelfestivals abgehalten. Von Mitte Mai bis Mitte September finden heuer im Weinviertel zahlreiche Kulturveranstaltungen statt. Für den Jammercontest ist eine fahrende Kabine auf diversen Veranstaltungen unterwegs und lädt zum öffentlichen Sudern ein. Die besten Beiträge werden im Herbst von einer Fachjury ausgewählt. Der Gewinner erhält den Goldenen Suderanten 2009 überreicht, eine vergoldete Holzstatue vom Künstler Harry Raab.

Die reinigende Wirkung des Raunzens

Jammern wurde im Weinviertel lange kultiviert, meint Josef Schick, der in der Region geboren und aufgewachsen ist. Es gibt das Sprichwort, dass die Bauern ihren Kindern schon zu kleine Schuhe gekauft haben, damit sie sich an das Jammern gewöhnten, erzählt er. Die Raunzerei kann eine gewisse kathartische Wirkung entfalten. Es ist ein Reflektieren der eigenen Situation. Ein richtiger Weinviertler könne aus dem Stegreif jammern und brauche nicht unbedingt den Wein dazu, so Josef Schick weiter.

Zum Klagen ziehen sich viele Weinviertler und Weinviertlerinnen dennoch am liebsten unter die Erde zurück. "Die Kellerröhre ist wie eine Zeitmaschine, Raum und Zeit heben sich an diesem Ort auf", erklärt Michael Rosenberg. Er hat den Jammercontest ins Leben gerufen. Im Kellergewölbe wird nicht nur Wein kultiviert, es lässt sich auch hervorragend Jammern, findet er. Der Erdboden riecht feuchtmodrig und im schummrigen Kerzenlicht kostet man gemeinsam das eine oder andere Gläschen Wein direkt vom Fass, bis irgendwann durch eine Ritze in der Kellertüre das erste Morgenlicht hereinfällt.

Jämmerliche Gedanken öffentlich machen

Die mobile Jammerkabine von Michael Rosenberg und Harry Raab soll die Leute und ihre jämmerlichen Gedanken aus dem Verborgenen an die Öffentlichkeit bringen. Es handelt sich dabei um einen umfunktionierten Autoanhänger mit einer transparenten Plexiglashaube. In eine der Wände haben Harry Raab und Michael Rosenberg ein Fenster geschnitten, durch das gerade einmal ein menschlicher Kopf passt. Über ein Mikrofon wird das Raunzen der Kandidaten verstärkt. Jeder Suderant wird in Nahaufnahme gefilmt.

Beim Contest gibt es mehrere Kategorien, so wie Singlejammern, Gruppenjammern, Bauernjammern, Selbständigenjammern oder Hausfrauenjammern. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bekommen ein Glas Wein, das so genannte Jammerachtel. Der Wein ist absichtlich zu warm, damit gleich in die passende Stimmung aufkommt. Die Bewerber und Bewerberinnen müssen mit dem Achtel Wein in der Hand durch ein Labyrinth aus gespannten Seilen klettern.

Zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken

Es ist ein mühsames Unterfangen, bis man zum Fenster in der Jammerkabine gelangt. Beklagen kann man sich über alles: dass es zu heiß ist, oder zu kalt, dass es zu viel regnet oder zu wenig. Am häufigsten wird an Umständen genörgelt, die nicht zu ändern sind. Selbst wenn alles gut läuft, bleiben die Klagenden skeptisch.

Die öffentliche Jammerkabine ist quasi das Gegenstück zur Kellerröhre und soll den Leuten einen Spiegel vorhalten, sagen Harry Raab und Michael Rosenberg. Sie wollen die Leute dazu bringen, ihre Gedanken nach außen zu tragen, um andere und sich selbst damit zu inspirieren. "Nur Jammern ist zu wenig. Es geht auch darum, den anderen zuzuhören, daraus entstehen die besten Ideen", findet Harry Raab, "dann erst dann wird das Jammern zum Anstoß für Verbesserungen".

Die nächsten Stationen der Jammerkabine sind am 26. Juni und 11. Juli im Filmhof Asparn, am 10. Juli in Kirchstetten, am 23. August in Laa an der Thaya und am 13. September in Poysdorf.

Hör-Tipp
Moment, Mittwoch, 24. Juni 2009, 17:09 Uhr

Link
1. Weinviertler Jammercontest