Dem Snobismus nicht abgeneigt

Koglmann, cool

Als einen unter nicht allzu vielen Österreichern findet man den Trompeter, Bandleader und Komponisten Franz Koglmann in jedem Jazzlexikon. Thomas Mießgang beschreibt Koglmanns Musik mit dem Begriff "cool" und zieht Parallelen zum Film noir.

Wenn man ein Wort wählen müsste, um Franz Koglmanns Klangvision auf knappest mögliche Weise zu beschreiben, so wäre es wohl der Begriff "cool". Er taucht sowohl in den Programmen der Wiener Musik Galerie wie auf den Tonträgern des Komponisten so häufig auf - mal als explizite Formulierung, mal als impliziter Subtext -, dass es sich nicht um Zufall handeln kann: Ein Artikel von Bill Shoemaker in der amerikanischen Jazz Times hieß denn auch programmatisch: Viennese Cool.

Cool: Das meint den gleichnamigen Jazzstil aus den vierziger und fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts genauso wie das kühle Kalkül, mit dem Arnold Schönberg die Gesetze der Funktionsharmonik aushebelte, um, wie er damals großspurig verkündete, "der deutschen Musik die Vorherrschaft für die nächsten hundert Jahre zu sichern."

Coolness als Lebenshaltung

Man kann Coolness aber auch - etwas schlichter - als Lebenshaltung verstehen, die in entfernter Genealogie noch auf den Bebop und den Hipster Talk der Beatgeneration zurückzuführen ist. Wie lässt sich nun das Verkopfte mit dem Vitalismus des Jazz zusammenbringen? Der Swing mit der Zwölftonreihe? Sigmund Freuds Couch in der Bergasse mit dem Leuchtturm im kalifornischen Hermosa Beach, in dessen Schatten in den fünfziger Jahren zahlreiche Cool-Jazz-Platten produziert wurden?

An dieser Quadratur des Kreises arbeiten sowohl der Musikschöpfer Koglmann wie auch die Wiener Musik Galerie seit vielen Jahren. Coolness kann aus dieser Perspektive nicht nur Attitüde sein, der richtige Anzug, die richtige Sonnenbrille, die richtige Mieze auf dem Beifahrersitz des Convertible - im Zeitalter der Videoclips ist nichts leichter herzustellen als diese Art von Surrogat-Präsenz. Man erinnere sich an Robbie Williams und seinen vor ein paar Jahren kläglich gescheiterten Versuch, durch ein paar oberflächlich abgepauste Stilfiguren die Magie des Rat Pack noch einmal auferstehen zu lassen.

Neue Konkretheit

Nein, Cool à la Koglmann ist ein Dekadenzphänomen wie das teilnahmslose Wohlgefallen der französischen Poètes maudits aus dem 19. Jahrhundert, das in der brüsken Konfrontation von Cool Jazz und Zweiter Wiener Schule den "Körper zu schreiben" versucht. Écrire le corps, wie Roland Barthes sagt: Durch die Abstraktionen der Sprache - in diesem Fall: des Klanges - hindurch zu einer neuen Konkretheit finden, die im Moment ihres Erscheinens schon die Spur ihres Verschwindens in sich trägt.

Cool bedeutet in der parallelen Welt Koglmanns nicht Nostalgie, aber Melancholie: Man trauert um ein unwiederbringlich Verlorenes, von dem man bestenfalls die Echos hörbar machen kann. Man bastelt aus Fragmenten einstmals geschlossener Weltbilder ein Hypersystem, dessen Komponenten einer ständigen Überprüfung unterzogen werden müssen - sonst bräche der unter ironischem Lächeln erstellte Kunst- und auch Weltentwurf zusammen wie ein Kartenhaus und es bliebe: die kranke Sprache, weit davon entfernt, die "in Liebe verwandelte Natur", wie das Friedrich Nietzsche formuliert hat, als Klanggestalt abbilden zu können.

Koglmanns Metamusik

Bill Shoemaker hat einmal über den britischen Saxophonisten Tony Coe, einen langjährigen musikalischen Partner Franz Koglmanns geschrieben: "Seine Musik klingt, als ob er ständig versuchen würde, sich an etwas Vergessenes zu erinnern." Man kann es noch weitertreiben: Die Metamusik, deren Konturen Franz Koglmann seit 25 Jahren umreißt, klingt, als ob er ständig versuchen würde, etwas Erinnertes zu vergessen.

"Cool noir - in memoriam Chet Baker" hieß einmal ein Programm der Wiener Musik Galerie, bei dem Werke von Bob Graettinger, André Hodeir, Ran Blake und natürlich Koglmann selbst zu hören waren. In der Zusammenführung - oder sollten wir sagen: Konfrontation? - dieser beiden Vokabeln nähern wir uns dem dunklen Herzen der Ästhetik Franz Koglmanns, des einem gewissen Snobismus durchaus nicht abgeneigten Elite-Künstlers.

Hinter den Grenzen der Ordnung

Die Engführung von cool mit den dunklen Welten des Film noir ist durchaus nicht so weit hergeholt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag: Der Kunstkritiker Roberto Ohrt hat unter Bezug auf Frederic Jameson festgehalten, dass die Handlung bei den Filmen der Schwarzen Serie oft auf Schauplätze hinaustreibt, die hinter einer besonderen Grenze in der symbolischen Ordnung liegen: "Jameson spricht von Orten, die das städtische Zeichensystem nicht mehr erfasst und gewissermaßen einer Gegenwelt angehören, außerhalb von Zeit und Raum, in einer anderen Dimension: ein Weg, der versperrt ist, zwei gekreuzte Latten, Warnsignale und dann fällt das Gelände ab ins Unbestimmbare ... Oder ein Hafen ohne Funktion, das Ende einer Pier und dort in der Nacht nur noch schwarzes Wasser, das gleichgültig mit ein paar Lichtern spielt. Boote, die in der Unwirklichkeit ankern."

Dazu passt ein Zitat von Greil Marcus, das sich auf die berühmte Platte "Birth of the Cool" von Miles Davis bezieht: "Wenn man diese Musik heute hört, hört man genau einen coolen Gang die Straßen der Großstadt hinunter - und dann irgendeine weit offene Straße."

Ästhetisches Paralleluniversum

Sowohl Cool wie Noir treiben also hinaus aus den trügerischen Selbstgewissheiten eines eingezäunten Lebens mit Krankenversicherung und Rentenanspruch und öffnen einen Raum für Möglichkeiten, der natürlich auch das Scheitern zum Teil der Gleichung macht. Cool ist somit, auch für Koglmann, ein Kanal, ein Conduit, ein Durchbruch zu einem ästhetischen Paralleluniversum, der das Leben als gesteigerte Seinsform, als ontologische Essenz entwirft und aus den Ruinen und Erinnerungsspuren etablierter Traditionen neue Erzählweisen schafft.

"Indem man den Pfad verlässt, die Epiphanie aufgibt," schreibt Greil Marcus, "und Cool folgt, wohin es einen führt, den laufenden temporären Diskurs in der realen Zeit, nicht als Verfolgung eines Ziels, sondern an sich sucht, ist man völlig auf sich angewiesen. Und dann öffnet sich Cool zum Garten der Selbstfindung und gleichzeitig zur Wüste der Eitelkeit, in die seltsame Offenbarung, dass Dinge, die keine Bedeutung haben - Noten, Wörter, Handlungen, Gesten, Ziele - nichtsdestotrotz reale Konsequenzen haben."

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