Was den Sonntag erst zu einem Sonntag machte
1.130 Mal Guglhupf
Am 27. Juni 2009 ging eine Radio-Ära zu Ende. Zum 1.130. und letzten Mal sendete Ö1 seinen kabarettistischen "Guglhupf". Bereits zwei Tage davor hatte sich das "Guglhupf"-Team von seinem Publikum live im RadioKulturhaus verabschiedet.
8. April 2017, 21:58
Kurt Sobotka hat dem "Guglhupf" seine Stimme geliehen
Wussten Sie, dass der Guglhupf eine Mehlspeise ist? - Das könnte man beinahe vergessen, so sehr ist das Backwaren-Wort zum Synonym für eine Radiosendung geworden. In Österreich wurde 31 Jahre lang der Guglhupf nicht nur gegessen, sondern auch gehört, und zwar jeden Sonntagvormittag in Ö1.
Mit der 1130. Folge der kabarettistischen Radio-Wochenschau ging am 27. Juni 2009 eine Ära zu Ende, die von einem perfekt eingespielten Team mit beachtlichem Durchhaltevermögen geprägt worden ist. Als Guglhupf-Vater Gerhard Bronner von einer Wildkatze gebissen im Krankenhaus lag, rückte das Team aus, um Bronners bissige Kommentare stationär aufzunehmen. Und Kabarett-Doyenne Lore Krainer glitt mit zersplittertem Oberschenkel im Rollstuhl über die große Bühne des RadioKulturhauses zur Gala anlässlich der 1000. Guglhupf-Sendung.
Kurzer Ausflug ins Fernsehen
Die Anfänge des Guglhupfs prägten die klassischen Doppelconferencen des Gespanns Gerhard Bronner und Peter Wehle, die das Zeitgeschehen kommentierten. Zwei Jahre nach seiner Form-Findung, im Jahr 1978, wurde der Guglhupf sogar fünf Folgen lang ins Fernsehprogramm aufgenommen, doch der musikalische Wortwitz war im Radio besser aufgehoben.
Zum Stammteam der ersten Stunde gehörten bis zuletzt die unermüdlichen Multitalente Lore Krainer und Kurt Sobotka. Als der Doppeldoktor, Peter Wehle, und der "Versteller" vom Dienst, Peter Frick, Mitte der 1980er Jahre starben und Gerhard Bronner US-amerikanische Sender hören musste, übernahm die Guglhupf-Grande Dame, Lore Krainer, gemeinsam mit dem musikalischen Allrounder Herbert "Happi" Prikopa die Mikrofone.
Blöd und g'scheit
Die einstmalige intellektuelle Doppelconference von Bronner und Wehle entwickelte sich unter Krainer und Prikopa zu einem erfrischenden allwöchentlichen Beziehungsdrama zwischen dem "Blöden" und der "Gscheiten". Zum Team stießen immer wieder Gastarbeiter, darunter Erwin Steinhauer, Cornelius Obonya und Adi Hirschal.
Die Besetzung des restlichen Guglhupf-Teams kam in der Regel nach dem Prinzip "Einmal der Gigl - einmal der Gogl" zustande. Meist mit von der Partie und in den unterschiedlichen einprägsamen Chargenrollen vertreten waren der Schauspieler Christian Futterknecht und der Kabarettist Andreas Steppan. Ein "Klugbeißer", ein "Herr Pfneudl", die schlumpfigen Guglhupf-Rosinen namens "Gugl" und "Hupfi" sind Radiolegenden für sich.
Im Hintergrund textete wie wild das literarische Guglhupf-Urgestein Alfred Heinrich in Windeseile die aktuelle Wochenprosa. Wenn etwa die "Zustände wie im alten Rom" beschrieben werden, konnte Alfred Heinrich seine üppigen Lateinkenntnisse an die Hörer bringen.
Wöchentliche Heimarbeit
"Gebacken" wurde der radiophone Guglhupf seit 1991 in Niederösterreich. Zu viert saßen "die" Krainer und die Herren Prikopa, Futterknecht, Steppan gemütlich auf wenigen Quadratmetern im Studio zusammen, probten in aller Ruhe, während der Regisseur, der Tonmeister, der Cutter, der Produzent und ein weiterer unverzichtbarer Guglhupf-Schauspielgrande, alle fünf in Person von Kurt Sobotka, stets hektisch zwischen Studio und Aufnahmeraum wechselte.
Technisch gesehen war das Guglhupf-Team hartnäckiger als ein kleines Dorf in Gallien. Während Radio heute in der Regel digital produziert wird, wurde der Guglhupf seit Jahr und Tag unbeirrbar analog auf Tonband gebannt.
Dem Tausendsassa Sobotka zur Seite stand der Musiker Walter Galla, der auf Band und auf Befehl sämtliche Toneffekte der Sendung von "01 Anfangssignation" bis "80 Radglocken" parat hatte. Das einzig selbst erzeugte Geräusch wurde im Aufnahmeraum von Andreas Steppan hervorgebracht, wenn er die kleine blinde Tür hinter sich an der Wand bediente, um die unterschiedlichen Chargen virtuell herein- oder hinauszulassen und sich dabei jedesmal beinahe die Schulter auskegelt hatte.