Woody Allens neuer Film
Rückkehr zu den Wurzeln
Woody Allen ist mit seinem neuen Film in seine Heimatstadt New York zurückgekehrt. "Whatever Works" markiert eine Rückkehr zu Allens Wurzeln - nicht nur örtlich: Die Person Woody Allen lässt sich nur schwer von seinen Filmen trennen.
8. April 2017, 21:58
Woody Allen ist wieder da, wo er immer schon gewesen ist. In New York. Seine letzten vier Filme hat der Stadtneurotiker im europäischen Ausland gedreht: laut eigenen Aussagen, da die Produktionskosten in seiner Heimatstadt zu hoch für einen unabhängigen Regisseur sind. "Whatever Works" markiert jetzt eine Rückkehr zu seinen Wurzeln; in zweifacher Hinsicht: zum einen filmt Allen New York wie kein Zweiter. Im Vorbeigehen, sozusagen. Hier fühlt er sich sicher, hier sind seine besten, weil angriffigsten Arbeiten entstanden.
Zum anderen ist "Whatever Works" eine Konventionskomödie: Mit ähnlichen Geschichten von gebeutelten Stadtpflanzen ist Woody Allen in den 1970er Jahren zum Star aufgestiegen und selbst zum Inbegriff des schnell sprechenden Exzentrikers geworden. Die Persona Allen lässt sich nur schwer von seinen Filmen trennen: wie sich das für einen Autorenfilmer eben gehört. "Whatever Works" schiebt jetzt Wirklichkeit und Fantasie, gespielte und tatsächliche Neurosen sehr zeitgenössisch ineinander. Der Hauptdarsteller, der mit seiner Rolle fast in Woody Allens Haut schlüpft, ist Larry David.
Erfinder von "Seinfeld"
Larry David ist reich. Er lebt mit seiner Frau in einem großen Haus in Los Angeles. Laut Hollywood-Etikette sollte er ein erfülltes, sorgenfreies Leben führen. Larry aber verachtet seine Umwelt und einen Großteil seiner Mitmenschen: für ihre Oberflächlichkeit und Dummheit.
"Curb your Enthusiasm!", also "Zügle deine Begeisterung!" lautet der selbstredende Titel einer amerikanischen Comedy-Serie. Darin spielt Larry David sich selbst; oder besser: eine Version seiner Selbst. Der Erfinder der Fernsehserie "Seinfeld" jongliert geschickt mit dem eigenen Image. So lang bis sein echtes und sein erfundenes Ego, bis sich Wirklichkeit und Fantasie unauflösbar ineinander schieben. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Larry David als Star von "Whatever Works" das Publikum gleich zu Beginn direkt anspricht.
Woodys Wohlfühlkino
Woody Allen macht immer Wohlfühlfilme. Weil er gar nicht anders kann. Weil er ein Träumer ist. Sein New York ist nicht realistisch wie das von Scorsese oder Ferrara, es ist die Stadt, die niemals schläft. Durch deren Gassen sich bebrillte, jüdische Neurotiker schieben. Hinter jeder Tür liegt ein Film. Im Fall von "Whatever Works" sogar ein ziemlich guter.
Boris Yelnikoff ist ein genialer Physiker im Ruhestand. Er ist intelligenter als die meisten anderen - und das lässt er sie auch wissen. Larry David fühlt sich in der Figur sichtlich wohl: Er monologisiert in die Kamera, treibt ein schlaues Spiel mit den Zuschauern im Kinosaal. Bis etwas Unerwartetes, Unerhörtes geschieht: Eine junge Frau betritt sein Leben - und damit auch die Bühne von Allens Film.
Provinzler im Big Apple
Melodie ist eine 21-jährige Ausreißerin aus einer tief religiösen Republikaner-Familie: Südstaatler gelten in New York so viel wie Tiroler in Wien. Ignorante Provinzler, die keine Ahnung vom richtigen Leben haben. Ihre Unbekümmertheit und Naivität treiben Boris in den Wahnsinn, sie locken ihn aber auch aus seinem Sarkasmus-Sarg heraus, zwingen ihn dazu, sich mit dem auseinanderzusetzen, was er immer verachtet hat.
"Whatever Works" ist ein versöhnlicher Woody-Allen-Film, ganz so, als hätte er nach seinen in Europa produzierten Filmen New York wieder zu lieben gelernt. Die Figuren und Geschichten darin erinnern nicht von ungefähr an Allens frühe Erfolge mit "Der Stadtneurotiker" und "Manhattan".
Autobiografische Züge
Allens Stadtneurotiker sind traurige Träumer: Da ihnen die Welt nicht gefällt, bauen sie sich ihre eigene. Und der Regisseur hilft ihnen dabei. Mit Zeichentricksequenzen und anderen filmischen Kunstgriffen wird ihre Zerrissenheit auf die Leinwand geworfen. Boris Yelnikoff, der direkt zum Publikum spricht, ist da keine Ausnahme.
Das Besondere an dieser Figur ist allerdings, dass sie von Larry David verkörpert wird: einem großen Komiker, der sein eigenes Leben zum Stoff einer Serie gemacht hat. Darin ähnelt er Woody Allen: Die von ihm gespielten Außenseiter und seine öffentliche Persona sind längst verschmolzen, die meisten seiner Filme weisen autobiografische Züge auf. Das gilt sogar für Allens europäische Produktionen, in denen er ganz amerikanisch von der Alten Welt träumt. Das Spanien in "Vicky Cristina Barcelona" ist ebenso unwirklich wie das New York in "Whatever Works".
Erstens kommt es anders...
In "Whatever Works" hat New York das Potenzial, Leben zu verändern: Allen illustriert seine Utopie an Melodies Eltern. Beide kommen als erzkonservative Südstaatler in die Ostküstenmetropole, beide entdecken in den Straßen des Big Apple ihr neues Lebensglück: Sie wird zur erfolgreichen Künstlerin und lebt sich in einer Dreiecksbeziehung aus. Er lernt beim Frustsaufen in einer Bar einen Mann kennen und gesteht sich seine Homosexualität zum ersten Mal ein. "Whatever Works", eben. "Was auch immer klappt."
Allen selbst ist mittlerweile schon mit seinem neuen Film beschäftigt. "You Will Meet a Tall Dark Stranger" soll er heißen. Gerade wird in London gedreht. Gerüchten zufolge will Woody Allen seine nächsten Projekte wieder gänzlich in Europa realisieren. Es sieht also ganz danach aus, als habe sich der Parade-New-Yorker mit "Whatever Works" von seiner Stadt verabschiedet - und ihr ein Denkmal gesetzt. In der Wirklichkeit und in der Fantasie.