"Porgy and Bess" bei der styriarte
Harnoncourt dirigiert Gershwin
Mit "Porgy and Bess" entstand ein neuer, spezifisch amerikanischer Typus des musikalischen Theaters. Oft wurden Stellen, die in Richtung Oper gingen, gestrichen. Nikolaus Harnoncourt möchte den Opernabsichten Gershwins zu ihrem Recht verhelfen.
8. April 2017, 21:58
"Ich halte 'Porgy and Bess' für eine der besten modernen Opern", so der Komponist Aram Chatschaturjan. Und ähnlich hatte es auch das Publikum der Uraufführung in Boston 1935 gesehen: "Das ist ein großer Fortschritt in der amerikanischen Opernentwicklung, ja einer der größten", hatte damals der Dirigent Sergei Kussewitzky die Stimmung auf den Punkt gebracht.
Ganz anders fielen die Reaktionen in New York im gleichen Jahr aus. Man sprach von einer "halben Oper", empfand die folkloristischen Elemente als unehrlich und kritisierte das Schwanken zwischen Musikdrama, Musical Comedy und Operette. Dass mit "Porgy and Bess" ein neuer, spezifisch amerikanischer Typus des musikalischen Theaters entstanden war, wollten viele Kritiker nicht erkennen.
Rassenvorurteile an der MET
Bereits 1926 hatte Gershwin Kontakt mit dem Romanautor DuBose Heyward aufgenommen, um mit ihm über die Vertonungsrechte der Novelle "Porgy" zu verhandeln. Heyward war aber gerade selbst damit beschäftigt, seinen Roman in ein Theaterstück umzuwandeln. Jahre später wurde er gebeten, sein Schauspiel als Musicalvorlage freizugeben, doch wollte er Porgy nicht als Musical Comedy auf die Musiktheaterbühne gebracht wissen, sondern als Volksoper - und dafür kam für ihn nur Gershwin in Frage.
Als der Plan bekannt wurde, meldete sich die Metropolitan Opera beim Komponisten; doch Gershwins Werk war als "Negeroper" geplant; an der MET wäre dies aufgrund der damaligen Rassenvorurteile nicht machbar gewesen, erst 1955 wurde es einer farbigen Sängerin erlaubt, an der Met aufzutreten.
Kein Volksmusikmaterial
"Als ich an der Musik zu arbeiten begann, entschloss ich mich, kein Volksmusikmaterial zu gebrauchen, weil die Musik aus einem Guss sein sollte", so Gershwin, "deshalb schrieb ich meine eigenen Spirituals und Volkslieder."
20 Monate arbeitete Gershwin an seiner Oper, im September 1935 war die 700 Seiten starke Partitur seines letzten Bühnenwerks vollendet. 1943 fand in Kopenhagen (trotz der Versuche der Nazi-Besatzung, die "jüdische Negeroper" zu boykottieren) die europäische Erstaufführung statt, und spätestens seit der Welt-Tournee der "Everyman Opera Company" in den 1950er Jahren gehört "Porgy and Bess" zu den anerkannten Erfolgswerken des 20. Jahrhunderts.
Gershwins Opernabsichten
Was man bei dieser Tournee kennenlernte, war aber keineswegs das Werk, wie es Gershwin erdacht hatte. "Wenn ich an diese 'Porgy'-Aufnahme aus Berlin 1952 denke", so Nikolaus Harnoncourt bei einem styriarte-Pressegespräch, "da war es schon bei weitem nicht mehr das Stück. Der Dirigent hatte alle Stellen, die in Richtung Oper gingen, gestrichen. In Berlin hat man sich überhaupt an nichts mehr gehalten."
In der Tat - in Berlin anno 1952 hatte man "Porgy and Bess" als Musical präsentiert, in der Zwischenzeit hat man aber auch den Opernabsichten Gershwins zu ihrem Recht verholfen, etwa in den Aufnahmen unter Lorin Maazel und Simon Rattle - oder auch vor Jahren in Österreich bei den Bregenzer Festspielen.
Harnoncourt mit Überraschungen?
Gershwins gewünschte Form des Werkes ist also bekannt - und doch darf man darauf gespannt sein, was Nikolaus Harnoncourt aus diesem Werk herausholen wird - war er doch bisher immer für Überraschungen gut, ganz gleich, ob er die Werke des Barock und der Klassik dirigiert hat oder für ihn so Ungewöhnliches wie Johann Strauß, Jacques Offenbach, Georges Bizet oder Alban Berg.
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Hör-Tipp
Porgy and Bess, Freitag, 3. Juli 2009, 19:00 Uhr
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