Ausstellung im Österreichischen Kabarettarchiv
Zwischen Tränen und Gelächter
Nach Kriegsende wurden in Österreich Theater und Unterhaltungsetablissements wieder geöffnet. Kritische Haltung war nun wieder erlaubt, ja sogar erwünscht. Wie sich die Unterhaltungskultur damals gestaltete, zeigt eine Ausstellung des Kabarettarchivs.
8. April 2017, 21:58
Fritz Grünbaum konferierte im März 1938 gemeinsam mit Karl Farkas zum letzten Mal auf der Bühne des Wiener Simpl in der Wollzeile 36. Knapp drei Wochen später konnte man bereits in den "Wiener Neuesten Nachrichten" lesen:
Die kleine Kunstbühne in der Wollzeile hat eine erfreuliche Wandlung durchgemacht. Sie ist endlich arisch geworden.
Fritz Grünbaum wurde in das Konzentrationslager Dachau verschleppt, wo er 1941 starb.
Das Schicksal der Deportation teilte er mit vielen Kolleginnen und Kollegen, die vom NS-Regime verfolgt waren und nicht zeitgerecht fliehen konnten. Auch die meisten Kleinkunstbühnen wurden 1938 geschlossen. Doch was passierte nach Kriegsende, als die ersten Bühnen wieder aufsperrten und Künstlerinnen und Künstler aus dem Exil zurück kamen? Dieser Frage ging man im österreichischen Kabarettarchiv in Straden nach und zwar im Rahmen der Ausstellung "Zwischen Tränen und Gelächter. Unterhaltungskultur im Wiederaufbau". Die Leiterin und Kuratorin Dr. Iris Fink und der Kabarett-Historiker und Mit-Kurator Dr. Hans Veigl haben die Geschichte des Kabaretts der Nachkriegsgesellschaft zwischen 1945 und 1955 zusammengestellt.
Der Vergnügungsanzeiger
Am 18. Mai 1945 nimmt der Simpl in der Wiener Wollzeile seinen Spielbetrieb wieder auf. Weil der Simpl ein Luftschutzkeller war, durfte man in diesem Etablissement auch nach der Theatersperre 1944 weiterspielen und konnte den Betrieb bis 3. April 1945 aufrecht erhalten. Um einen Überblick über die große Zahl an Wieder- und Neueröffnung im Kleinkunstbereich zu dokumentieren, haben Iris Fink und Hans Veigl einen Vergnügungsanzeiger der Nachkriegszeit zusammengestellt.
Nahezu im Drei-Wochen-Rhythmus eröffneten 1945 in Wien die Unterhaltungsetablissements ihre Tore und stellen neue Programme vor. So präsentierte das Titania Theater am Hernalser Gürtel am 25. Mai sein "Kabarett der Prominenten", am 1 Juni aktivierte Fritz Eckhard den von Stella Kadmon gegründeten Lieben Augustin im Keller des Cafe Prückel.
Am selben Tag eröffnete auch das Kabarett Dobner am Getreidemarkt, früher als Literatur am Naschmarkt bekannt; das Kaffee Kabarett Fürstenhof in der Praterallee bot "Wiener Humor" und im Kabarett Zentral-Palast zeigte man das große "Juni-Varieté"-Programm. Anhand von Schautafeln, Originalplakaten, Programmheften, historischen Fotos und Tonbeispielen wird im Ausstellungsraum des Kabarettarchivs eine Mischung aus Zeit- und Kabarettgeschichte zwischen 1945 und 1955 präsentiert. Außerdem erfährt man auch Biografisches über ausgewählte Unterhaltungskünstler und Kabarettisten, wie beispielsweise Carl Merz, Gunther Phillip, Ernst Waldbrunn, Heinz Conrads und Karl Farkas.
Die Bundesländer-Brettln
In der Deklaration der Besatzungsmächte vom 9. Juli 1945 wurde die Aufteilung Österreichs in vier besetzte Zonen festgelegt. Salzburg und Oberösterreich waren unter amerikanischer Kontrolle, Steiermark und Kärnten waren englische Zone, Tirol und Vorarlberg wurde von den Franzosen kontrolliert und Niederösterreich, Burgenland und Oberösterreich nördlich der Donau von den Russen.
Auch in den besetzten Bundesländern etablierten sich Kabarett-Lokale. Zum Beispiel gründet in Graz der vormalige Literatur-am-Naschmarkt-, ABC- und Wiener-Werkel-Mitarbeiter Franz Paul im November 1945 im Café Rheingold in der Annenstraße 23 die Kleinkunstbühne Der Igel – Das kleine Zeittheater mit Fritz Muliar, Henriette Ahlsen, Heinrich Trimbur, Sepp Trummer und anderen.
In Linz etabliert der Schauspieler Peter Hey, der vor dem Krieg im Simpl und in der Literatur am Naschmarkt gespielt hatte, jetzt mit seiner Frau Relly Gmeiner und Maxi Böhm eine Kabarettbühne. Er mietet im "Grünen Baum", Bethlehemstraße 4, den Gasthausaal und eröffnet das Kabarett Peters Eulenspiegel. In Innsbrucks Stadtsälen gründen im Dezember 1946 Angela von Artner und Alfons Godard das KWT - Kleines Welttheater. Die Theaterkrise und die Währungsreform von 1948 sind die Auslöser dafür, dass viele Bühnen wieder schließen müssen.
Rätselhafte Zusammenarbeit
Im Zuge der Aufarbeitung der Unterhaltungskultur zwischen 1945 und 1955 ist auch ein Begleitbuch zur Ausstellung erschienen, "Tränen und Gelächter", eine umfangreiche Publikation, die eine bislang wenig beachtete Periode der österreichischen Kabarettgeschichte dokumentiert.
Was die Autoren selbst an diesem Thema fasziniert hat - Autor und Kabaretthistoriker Hans Veigl fasst es so zusammen: "Das Rätselhafte für mich besteht darin, dass es Künstler gab, die reine Kriegsunterhaltung geliefert haben und die nach 1945 problemlos weiterspielten. Und dann gab es Menschen, die aus dem Exil, aus den Lagern zurückgekehrt waren, die Überlebende waren und auf der gleichen Bühne mit denen gestanden sind und Amüsement-Theater geboten haben. Das war eine schwierige Situation, die auch schwer erklärbar ist."
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 5. Juli 2009, 22:05 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "Tränen und Gelächter", bis 26. Oktober 2009, Österreichisches Kabarettarchiv, Straden, Steiermark
Link
Österreichisches Kabarettarchiv
