Die neuen Hedonisten

Lohas

Kaum ist ein Trend ausgerufen, ist er auch schon wieder veraltet. Gestern sprach man noch von den Bobos, heute von den "Lohas". Die beiden Zukunftsforscher Anja Kirig und Eike Wenzel haben nun ihre Erkenntnisse bezüglich der Lohas in Buchform gepackt.

Im vergangenen Jahr habe er vier Diplom- und Bachelor-Arbeiten betreut, die sich mit dem Thema Lohas beschäftigen, schreibt Eike Wenzel. Nach Feuilleton und Marketing scheint dieses Phänomen nun auch an den Universitäten angekommen zu sein. Knapp sieben Jahre, nachdem das Hamburger Zukunftsinstitut für das die beiden Autoren arbeiten, diesen Trend zum ersten Mal für den europäischen Markt identifiziert hat. Lohas steht für Lifestyle of Health and Sustainability und bezeichnet jene Menschen, die sich gesundem und nachhaltigen Leben verschrieben haben.

Lohas ist ein Lebensstil, der einen Sehnsuchtsraum entwirft, aber nicht auf bestimmte Verhaltensweisen einengt. Lohas, das ist eine neue Avantgarde des grünen und gesunden Genießens. Lohas durchschauen die simplen Überredungstricks der Werbung, sie bevorzugen ethisch einwandfreie und biologische Produkte. Lohas sind selbstbewusste Konsumenten.

Sowohl als auch

Eines der wichtigsten Merkmale der Lohas ist ihre Sowohl-als-auch-Lebenseinstellung. Sie wollen eine bessere Welt, ohne aber deswegen auf Luxus und Lebensqualität verzichten zu müssen.

In den 1980er Jahren definierte sich gesellschaftliches Engagement durch die Ablehnung dessen, was ist, schreiben Kirig und Wenzel. Die, die damals auf die Straße gingen, träumten von einer anderen Welt. Die Lohas gehen nur dann auf die Straße, wenn sie sich dabei wohlfühlen können und setzen stattdessen lieber auf Realitätssinn und irdischen Genuss.

Naturnahe Lebensmittel interessieren sie mehr als Pershing-2-Raketen. Von den Kasteiungen früherer Generationen halten die Lohas nichts. Sie wollen es sich vor allem gut gehen lassen. Mit beruhigtem Gewissen, schließlich kaufen sie den Apfelwein vom Bauern des Vertrauens und schauen darauf, dass die Eier, die sie verzehren, bio sind und aus Freilandhaltung stammen.

Social-Design ist Lohas-Design

Auch Luxus lieben die Lohas. Nicht nur bei den Nahrungsmitteln, auch bei der sie umgebenden Technik. Der Apple-Laptop gehört zur Standardausrüstung, denn schönes Design ist wichtig. Oder wie es die beiden Autoren so schön ausdrücken:

Modernes Design ist Social-Design und Social-Design ist Lohas-Design.

Das sollen sich vor allem die Hoteliers hinter die Ohren schreiben, denn die Lohas lieben - zumindest konstatieren das die Parade-Lohas Anja Kirig und Eike Wenzel - Hotels, die ökologisch und Community-driven sind, ohne muffigen Fünf-Sterne-Pomp.

Der Neue Luxus holt die Gäste aus ihrer Vereinzelung heraus - aber nur, wenn sie es wollen, er verbindet sie via WLAN mit der Welt - aber nur, wenn das ausdrücklich gewünscht wird.

Im Hier und Jetzt

Individualität ist der zentrale Begriff im Lohas-Universum. Alles muss maßgeschneidert sein, alles leicht verdaulich und nicht anstrengend. Das gilt auch für die Spiritualität. Die Kirche ist natürlich vollkommen out - niemand will sich vorschreiben lassen, ob und mit wem er Sex haben darf -, aber ein bisschen Spiritualität schadet nicht. Denn auch das steigert das Wohlbefinden. "Ich-Kultur ohne Egoismus, Gemeinschaft ohne Sektiererei", so fassen es die Autoren zusammen.

An Heilsversprechungen im Jenseits glauben die Lohas nicht, schließlich wollen sie im Hier und Jetzt genießen. Ohne schlechtes Gewissen, ohne Anstrengung. Ganz individuell.

Sich was gönnen

Über 230 Seiten lang singen die Autoren das Loblied auf die Lohas. Und sie tun das so laut und so intensiv, dass der Leser nach der Lektüre hofft, nie wieder einem der Lohas zu begegnen.

Die beiden Autoren arbeiten für Matthias Horx' Zukunftsinstitut und sind bekennende Lohas, wie sie am Bucheinband stolz vermerken. Kirig und Wenzel schreiben deshalb auch sehr viel über sich selbst und stellen ihre eigenen Wünsche immer wieder als die einer ganzen Generation dar. Selbstdistanz ist den Autoren leider vollkommen fremd. Oft benutzen sie "wir" und man weiß nie genau, wen dieses ominöse "wir" umfasst. Die beiden Autoren? Die Lohas? Uns alle?

Am liebsten richten wir unseren Alltag so aus, dass wir in allen Lebenslagen genießen können. Wir gönnen uns gerne etwas Gutes, gerade wenn es um kulinarische Highlights geht.

Alle Individualisten sind gleich

In dem Buch wird die schlichte Tatsache, dass eine Generation sich nur noch für sich selbst und den eigenen Genuss interessiert und das Ganze mit banalem Nachhaltigkeitsgesülze überschminkt, als großer weiser Schritt zum richtigen, authentischen Leben hin, gepriesen.

So viel ist hier von Genuss und elitärem Distinktionsgewinn durch Verzehr jener Nahrungsmittel, die irgendjemand irgendwo durch jahrelanger Recherche aufgestöbert hat, die Rede, dass man sich nichts sehnlicher wünscht, als eine fettige, ganz und gar nicht grüne und nachhaltige Leberkäse-Semmel. Und sich schwört, nie wieder am Samstag auf den Wiener Naschmarkt zu gehen, wo all die durch und durch individuellen Lohas mit ihren gleichen Frisuren, gleichen Apple-iPhones, gleichen Turnschuhen und gleichen Latte-Macchiato-Tassen aus den Cafés quellen.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Anja Kirig, Eike Wenzel, "Lohas. Bewusst grün - alles über die neuen Lebenswelten", Redline Verlag

Link
Redline Verlag - Lohas