Erbaut im Bauhaus-Stil

Tel Avivs Weiße Stadt

Das Stadtzentrum von Tel Aviv ist 2003 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden. Das Ensemble der Zwischenkriegszeit von über 4.000 Häusern im Stil des Bauhaus und anderer Strömungen der Moderne wurde hauptsächlich von Emigranten aus Europa entworfen.

Wer zum ersten Mal durch das Zentrum von Tel Aviv schlendert, staunt nicht schlecht: So viel Architektur nach dem Vorbild des Bauhaus, eines Le Corbusier und Mies van der Rohe findet man in keiner europäischen Stadt. Tel Aviv verfügt über weitläufige, fast lückenlose Ensembles der Weißen Moderne. Nur wirken diese Viertel dort - man möchte fast sagen -orientalischer, als man es aus Europa kennt.

Interkultureller Austausch

Tatsächlich versuchten viele der nach Israel eingewanderten Architekten in den 1930er Jahren, einen Dialog mit lokalen Bautraditionen - schon des Klimas wegen. So wurden die durchgehenden Verglasungen der Bandfenster hinter durchgehende Balkonbrüstungen zurückgesetzt. Und man kreierte moderne Formen der Mashrabiya, des orientalischen Holzgitterwerks, das Sichtschutz bietet und dennoch Luft herein lässt.

Solch eine Variation konnte zum Beispiel ein Raster von Luken in der Wand sein, erklärt die Kuratorin und einstige Leiterin der Tel Aviver Denkmalschutz-Kommission, Nitza Szmuk: "Die Architekten schauten es sich von den Arabern ab, wie diese über Jahrhunderte baulich mit der Hitze zurechtgekommen waren. Damals waren die Beziehungen zu den Arabern ja noch besser - jedenfalls ließen sich die Architekten nicht hindern, von ihnen zu lernen; und das ist bis heute der Fall."

Architektur und Politik

Freilich: Im Palästina der 1930er Jahre, das auf die israelische Staatsgründung zusteuerte, war Bauen fast automatisch auch Siedlungspolitik. Die moderne Architektur mit ihren klaren geometrischen Formen passte zum zionistischen Ideal des neuen Israel. Mit dem Masterplan für das neue Tel Aviv wurde der Schotte Sir Frederick Geddes beauftragt.

"Es ist eine sehr grüne Stadt, mit nur vier oder fünf Geschäftsstraßen", sagt Nitza Szmuk. Diese Hauptadern seien so angelegt, dass man es von den Wohnarealen nie weit zu Einkaufsmöglichkeiten und Kulturinstitutionen habe: "Viel besser als in funktionalistischen Städten, die in Geschäftsviertel und Schlafstädte zerfallen", so Szmuk.

UNESCO-Schutz zeigt Wirkung

Tel Avivs Weiße Stadt war bis vor kurzem mehr angeschmutzt als weiß: Silikatziegel und Beton halten keine Ewigkeit, es wurde zu wenig und zu spät renoviert. Durch den UNESCO-Welterbetitel sind die Bauten aber zu Hochpreis-Immobilien geworden, in die zu investieren sich lohnt. Der Stadtverwaltung ist quasi ein Relaunch der Marke "Tel Aviv" gelungen: Nicht nur "Stadt am Meer", sondern "Bauhaus-Stadt am Meer".

In Israel selbst wird am Mythos der "Weißen Stadt" auch gekratzt. Der ärmere arabische Stadtteil Jaffa sei dann wohl die "schwarze Stadt", die man lieber negieren wolle, so meinen Kritiker.

Service

UNESCO - Weiße Stadt von Tel Aviv (englisch)