Wie der Mond das Leben der Apollo-Astronauten veränderte
Moonwalker
Insgesamt setzten zwölf Menschen zwischen 1969 und 1972 ihren Fuß auf den staubigen Erdtrabanten. Neun von ihnen leben noch. Der britische Journalist Andrew Smith fragte sich, was aus den Mondfahrern geworden ist und wie die Reise ihr Leben veränderte.
8. April 2017, 21:58
Edward "Buzz" Aldrin wurde Alkoholiker und bekam Depressionen. Kein Wunder, war er es doch, der in der Apollo-11-Kapsel warten musste, während sein Partner Neil Armstrong mit den Worten "Ein kleiner Schritt für einen Menschen..." in die Geschichte einging. Später wird er angesichts der Mondeuphorie auf der Erde lakonisch zu Neil Armstrong sagen: "Neil, wir haben alles verpasst".
Alan Bean von Apollo 12 gab die Raumfahrt auf und wurde Künstler. Er malt seitdem nur noch ein Motiv: die Entdeckungsreise zum Mond.
Edgar Mitchell war der Pilot der Mondfähre Apollo 14 und damit der sechste Mensch auf dem Mond. Auf dem Rückflug hatte er eine Offenbarung, in der er eine Intelligenz wahrnahm, die er seitdem in einem eigenen Institut zu ergründen sucht.
Jim Irwin hörte gar Gottes Ruf, dass er die NASA verlassen und sich der Kirche zuwenden soll.
Spannende Bemühungen
Das alles steht auf Seite 11 des Buches "Moonwalker". Damit könnte man die Lektüre eigentlich beschließen, denn nun weiß man, was aus den Astronauten wurde. Smith versteht es allerdings perfekt, die Bemühungen, wie er die Astronauten für ein Gespräch gewinnen konnte, spannend zu schildern. So wird aus einem Sachbuch ein Roman, ein sehr persönliches Buch über seine Faszination für die Raumfahrt und schließlich über seine Gespräche mit den Astronauten.
Durch seine Reportage werden diese Ikonen der Raumfahrt wieder zu ganz normalen Menschen, die ihr Leben in den Griff zu bekommen versuchen. Denn welche Ziele kann man sich noch setzen, wenn man auf dem Mond war?
Leben in Zurückgezogenheit
Besonders schwierig gestaltete sich das Interview mit Neil Armstrong, dem ersten Mann auf dem Mond, er hat sich nämlich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er gibt keine Autogramme und tritt nur selten auf. Andrew Smith versucht ihm auf einem Kongress näher zu kommen, muss dort allerdings eine Klausel unterschreiben, dass er nichts von dem veröffentlichen darf, was Armstrong in seinem Vortrag sagt:
Niemand kann sich an etwas Vergleichbares erinnern: Selbst der prominenteste Hollywood-Star würde sich niemals auch nur im Traum einfallen lassen, eine solche Forderung aufzustellen. (...) Die Details seiner Rede sind natürlich geheim, aber das ist in Ordnung, weil er eine Stunde lang spricht, ohne nur ein einziges Wort zu sagen, das für uns hier relevant wäre, ohne auch nur im Geringsten anzudeuten, er könnte jemals etwas erforscht haben, das über seine Toilette im Hotelzimmer hinausgeht, geschweige denn, er könnte auf dem Mond gewesen sein.
Die Zwei
Und doch kommt es zu einem persönlichen Kontakt, bei dem sich Armstrong als zuvorkommend erweist. Bei einem Empfang zeigt sich, wie menschlich die Astronauten trotz aller Professionalität doch sind.
Als Armstrong gefragt wird, wie es dazu gekommen ist, dass er der erst Mann auf dem Mond war. Daraufhin legt er einen Arm um die Schulter seines früheren Partners und lächelt: "Eigentlich waren wir es alle beide." Es ist eine freundschaftliche Geste. Armstrong hat möglicherweise jahrelang darauf gewartet, sie machen zu können, doch Aldrin reagiert überhaupt nicht, dreht sich nicht um, um ihn anzusehen, ihm auf die Schulter zu schlagen, seine Hand zu schütteln oder zu lächeln, (...) er bleibt weiterhin auf seinen Ellenbogen gestützt und starrt versteinert vor sich hin.
Buzz Aldrin sollte, so belegen es erste Checklisten, eigentlich den Mond als Erster betreten. Warum Neil Armstrong vorgezogen wurde, ist bis heute unklar.
"Langeweile an allem Irdischen"
Der dritte im Team war Mike Collins, er war der erste Mensch, der nicht den Mond betreten hat - er musste im Kommandomodul bleiben. Er war 47 Minuten, während die Kapsel sich auf der Rückseite des Mondes befand, von jeder Kommunikation abgeschnitten - eine essenzielle Erfahrung der Einsamkeit wie sie noch nie jemand zuvor gemacht hatte. Collins sagte:
"Ich kann mich einfach nicht mehr so für Dinge begeistern, wie das noch vor Apollo möglich war, mich scheint eine Langeweile an allem Irdischen befallen zu haben, die mir gar nicht gefällt, gegen die ich aber anscheinend nichts tun kann."
Verblüffende Gemeinsamkeiten
So unterschiedlich die Astronauten sind und so verschieden ihr weiteres Leben verlief: Es ist eine verblüffende Tatsache, dass von den Astronauten, die auf dem Mond waren, jeder das älteste Kind oder der einzige Sohn war. Nur sie waren für den Wettkampf bei der Auswahl offenbar am besten gerüstet. Die Mondfahrer sind interessant wegen der Dinge, die wir in sie hineinprojiziert haben, ist Andrew Smith überzeugt.
Für Verschwörungstheoretiker sei noch eine Zahl genannt, auf die der esoterische Kreis um Astronaut Mitchell wert legt: Bisher waren zwölf Menschen auf dem Mond. Genauso viele wie sich Jünger um Jesus scharten.
Keineswegs prominent
Die Hälfte der Astronauten blieb nach ihrem Mondausflug allerdings auf dem Boden, so wie John Young von der Apollo 16, er sagte im Interview mit dem Autor:
"Ich bin bestimmt keine Berühmtheit. Wenn ich in den Lebensmittelladen gehe, muss ich meinen Ausweis und Führerschein zeigen, um mit Scheck bezahlen zu können. Wenn meine Frau zum Lebensmittelhändler geht, sagt jeder 'Hi Susy!' und sie bekommt alles, was sie will."
Alle Monwalker sahen sich jedoch einer Herausforderung ihr restliches Leben nicht gewachsen.
Was die Frage anlangt, was das für ein Gefühl war, auf dem Mond zu stehen, glaube ich allmählich, dass dieses Gefühl entweder zu komplex oder zu einfach war, um es beschreiben zu können, oder dass diejenigen, die darüber berichten können, von dem Druck, der mit diesem "kollektiven Traum der Erde" verbundenen Erwartungen wie gelähmt sind. (...) Dass niemand einfach sagen kann, wie das war, auf der Mondoberfläche zu stehen, macht die Frage einfach nur noch interessanter.
Mehr zu "40 Jahre Mondlandung" in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Andrew Smith, "Moonwalker. Wie der Mond das Leben der Apollo-Astronauten veränderte", aus dem Amerikanischen übersetzt von Kurt Beginnen und Sigrid Kuntz, S. Fischer Verlag
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S. Fischer - Moonwalker