Berühmte Einspielungen der LP-Ära

Die Vinyl-Klassiker

Der Siegeszug der Langspielplatte begann in den frühen 1950er Jahren. Von der Schallplatte zur CD, vom Kulturgut zum Wegwerfprodukt, vom Pioniergeist am Beginn der LP-Ära bis zur Ratlosigkeit der Kommerz orientierten Tonträger-Industrie von heute.

Der Siegeszug der Langspielplatte begann in den frühen 1950er Jahren. Schellack wurde durch Vinyl abgelöst, die Geschwindigkeit von 78 Umdrehungen pro Minute wurde auf 33 1/3 bzw. 45 Upm reduziert, was auch die Produktion längerer Werke einfacher und rentabler machen sollte.

Dennoch sollte es noch geraume Zeit dauern, bis die Preise etwa für komplette Opern auf jenes Niveau sanken, die aus einem exklusiven Kulturträger plötzlich Allgemeingut machten.

Beim Nachfolge-Format der LP, also bei der CD, rutschten die Preise noch weiter in den Keller, so dass man heute fast von einem Wegwerfprodukt sprechen muss. Die gute, alte Vinylplatte hingegen gilt in gewissen Sammlerkreisen bereits als Kultobjekt, ja es werden sowohl legendäre ältere Einspielungen wie auch neueste Produktionen sogar in Neupressungen aufgelegt.

Ästhetische Unterschiede

Aber lassen wir alle technischen Finessen und alle zum Teil hochtrabenden Klangphilosophien einmal außer Acht, vergessen wir auch die ästhetischen Unterschiede zwischen der kleinen Silberscheibe und der Ehrfurcht einflößenden, (meist) schwarzen Vinyl-Schallplatte, bei der schon ein winziges Staubkorn genügt, um den Klanggenuss einer Pianissimo-Stelle drastisch zu reduzieren.

Konzentrieren wir uns also einzig auf den musikalischen Inhalt, und da werden wir rasch feststellen, dass es kaum die verschiedenen Tonträger sind, die den Unterschied ausmachen, sondern in erster Linie die Produktionsbedingungen zwischen heute und vor etwa einem halben Jahrhundert.

Am Beispiel "Rosenkavalier"

Wien war damals ohne Zweifel ein Zentrum hochkarätiger Platteneinspielungen, die Wiener Philharmoniker Basis vieler bis heute gültiger Operneinspielungen. Da entstand zum Beispiel bereits 1954 der legendäre "Rosenkavalier" unter Erich Kleiber, dem Vater von Carlos Kleiber, der heute naturgemäß noch mehr in unserem Bewusstsein verankert scheint.

Wer der genialere der beiden gewesen sein mag, müssen wir nicht weiter diskutieren, auch nicht wer der schwierigere war; der universellere, auch für die Musikgeschichte bedeutendere, aber war ohne Frage Vater Erich: 1890 in Wien geboren, und schon von daher mit wienerischer Musiktradition aufs engste verbunden, von Johann Strauß bis zu Richard Strauss.

Welt-Ensemble aus Wien

Als Erich Kleiber für DECCA den Rosenkavalier eingespielt hat, stand ihm abgesehen von den Philharmonikern noch das legendäre Wiener Nachkriegsensemble zur Verfügung, ein Ensemble von absoluten Weltstars: angefangen von Maria Reining als Marschallin, über Sena Jurinac und Hilde Güden als Octavian und Sophie, Ludwig Weber (Ochs), Alfred Poell (Faninal), Hilde Rössel-Majdan und Peter Klein (Annina und Valzacchi) bis zu Anton Dermota in der wirkungsvollen Episodenrolle des italienischen Sängers, den er in dieser Aufnahme mit Eleganz und strahlendem Tenorglanz gestaltet.

Mono und/oder Stereo

Die Schallplatten-Industrie arbeitete damals unter Hochdruck, schließlich musste so rasch wie möglich ein ganzer Katalog aus dem Boden gestampft werden, und so war man auch keineswegs zimperlich, sich gegenseitig die Stars auszuspannen oder durch Exklusivverträge so zu knebeln, dass nicht wenige Spitzenmusiker oder -sänger sich plötzlich zwischen zwei Stühlen am Boden wiederfanden.

Dazu wurde auch noch eine zweite Front eröffnet: die Stereo-Aufnahme - bereits in den 1930er Jahren erprobt - wurde plötzlich heftig propagiert, Mono-Aufnahmen dadurch deklassiert, und eine Zeitlang wurden neue Einspielungen zweigleisig aufgenommen: in Mono und in Stereo, bis es schließlich auf den Hüllen hieß: Stereo - auch Mono abspielbar.

Die Ratgeber

Am Buchmarkt erschien bald schon diverse Schallplattenliteratur, Kaufhilfen und Empfehlungen für bereits damals orientierungslose Konsumenten und Konsumentinnen. So zum Beispiel 1956 Kurt Blaukopfs "Langspielplattenbuch - Konzert und Oper", 1962 Friedrich Herzfelds "Schallplattenführer für Opernfreunde" - lange Zeit ein zwar umstrittenes, aber unverzichtbares Brevier vor allem für Sammler und Sammlerinnen - oder zwischendurch ein mehrbändiges Werk mit dem Titel "Ewiger Vorrat klassischer Musik auf Langspielplatten" zusammengestellt von Christoph Ecke.

In allen drei Publikationen wird dabei eindeutig der Kleiber-Rosenkavalier vor die beiden etwas später entstandenen Versionen unter Karajan (1956) und Böhm (1958) gereiht.

Kleiber vor Karajan und Böhm

"Der Kritiker hat im Interesse des Lesers manchmal die wenig angenehme Pflicht, eine gute Aufnahme gegenüber einer noch besseren, vielleicht sogar vollendeten, zurücksetzen zu müssen", lesen wir da beispielsweise bei Christoph Ecke: "... so sind bei Kleiber nicht nur die wichtigsten Sänger stimmlich und stimmschauspielerisch ihren Kollegen beträchtlich voraus, sondern vor allem übertrifft auch der Dirigent seine beiden österreichischen Landsleute an einheitlichem Schwung sowie in der Erfassung und Darstellung der sinnenfreudigen Wiener Atmosphäre, auf die es hier so sehr ankommt."

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 28. Juli 2009, 15:06 Uhr