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Bayreuth im Sommer 2009

Kleine Verbesserungen im Sängerischen, Jubelorkane für Christian Thielemann, bekannte Inszenierungen: Unter neuer Führung kochen die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele 2009 noch sehr "im eigenen Saft", aber es gibt Aufbruchs-Ideen.

2009 - kein Jahr wie jedes andere in Bayreuth. Wolfgang Wagner, über Jahrzehnte der Patriarch am "Grünen Hügel", sieht in häuslicher Pflege seinem Ende des Monats bevorstehenden 90. Geburtstag entgegen, während seine Nachfolgerinnen an der Festspielspitze, Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier, das neue, aus zwei Familienzweigen und zwei Generationen zusammengesetzte Festspiel-Führungsduo, ändern, was rasch zu ändern ist.

Das volksfestartige "public viewing" für alle Bayreuther und Bayreutherinnen (und sonstige Neugierige) wird natürlich samt (gebührenpflichtigem) Internet-Video-Streaming fortgesetzt. Neu war die Wagner-Kinderoper als Festspielauftakt, eine Herzensidee von Katharina Wagner.

Auch bei der "klassischen" medialen Verwertung von Festspielproduktionen tut sich etwas, nach Jahren der Stagnation: So soll der "Thielemann-Ring" noch in diesem Jahr auf 16 CDs veröffentlicht werden. Die grafisch und inhaltlich "runderneuerte" Festspiel-Website (mit vielen Videoclips, die Blicke "hinter die Kulissen" erlauben und die Richard-Wagner-Festspiele menschlicher wirken lassen sollen) signalisiert ebenfalls frischen Wind.

Ein Jahr ohne Premieren

Aber gibt es Neues auch bei Bayreuther Richard-Wagner-Aufführungen? 2009 ist am "Grünen Hügel" ein premierenloses Jahr; mit den langen Vorbereitungszeiten im Opernbetrieb dauert es noch, bis auch im Künstlerischen unkonventionelle Denkansätze "greifen" - wie das Engagement des "Originalklang"-erfahrenen Thomas Hengelbrock für die nächste "Tannhäuser"-Neuproduktion. (Dass Hans Neuenfels für den nächsten "Lohengrin" verpflichtet wurde, wirkt eher wie ein Griff in die "Regietheater"-Mottenkiste.)

So lautet die Frage: Wie entwickeln sich die bekannten Produktionen weiter, etwa der erwähnte "Ring des Nibelungen" unter Christian Thielemanns Leitung, der "Parsifal" mit Daniele Gatti am Pult? Wie schlagen sich Bayreuth-Neulinge und -Heimkehrer wie der Beckmesser Adrian Eröd oder der Siegfried Christian Franz?

Sängerische "Altlasten", sängerische Überraschungen

Auffallend beim Studium der Presse-Rezensionen: Die Klagen über zu niedriges sängerisches Niveau bei den Bayreuther Festspielen sind verstummt, obwohl nicht viele Besetzungen gegenüber 2008 ausgetauscht worden sind. Weiterhin präsentiert sich der in anderen Wagner-Opern, "Lohengrin" oder "Parsifal", so knabenhaft-ätherisch klingende Klaus Florian Vogt als Stolzing in den "Meistersingern" angespannt.

Weiterhin stört bei dem auf den Siegmund scheint's abonnierten Endrik Wottrich sein permanent gaumig-verquollenes Singen, und der allzu oft ältlich und muffelig tönende, plump-hemdsärmelige und vollends Charisma-lose Sachs von Alan Titus ist nur gegenüber der ins Tiroler Erl abgewanderten Vorjahresbesetzung eine Verbesserung.

Zu den sängerischen Atouts der Bayreuther Festspiele im Sommer 2009 gehören hingegen die frauliche, hochemotionale Sieglinde der Eva-Maria Westbroek, der musikalisch wie immer vorbildliche, "schlank" singende Tristan von Robert Dean Smith sowie Albert Dohmen als Wotan/Wanderer, an sich ein "gestandener" Sänger, der aber erst spät zu seinem Bayreuth-Debüt gekommen ist.

Ebenfalls ein Debütant: Bariton Adrian Eröd, als Beckmesser in den "Meistersingern" von Wien nach Bayreuth engagiert, bejubelt, aber noch steigerungsfähig. Stephen-Gould-Fans werden es nicht gerne hören, aber der bald in der Kategorie "alter Wagner-Recke" antretende und nach Jahren der Absenz nach Bayreuth "heimkehrende" Christan Franz "packt" die Siegfriede weit souveräner und um Kategorien wortdeutlicher.

Bei Sängerinnen und Sängern wie der Brünnhilde von Linda Watson oder dem Parsifal von Christopher Ventris muss man wahrscheinlich schon froh sein, dass es sie gibt - immer da, immer bereit, immer konzentriert und mit Stimmbändern, die für Wagner gemacht sind.

Buhs für Katharina Wagner

Regielich ist in der So-gut-wie-nicht-Inszenierung vom "Ring" durch Tankred Dorst (plus Assistenten) ebenso alles beim Alten wie in der szenischen Ödnis der Christoph-Marthaler-Anna-Viebrock'schen "Tristan"-Darbietung.

Stefan Herheim hat an seinem optisch quer durch die deutsche Geschichte marschierendem "Parsifal" (dessen Dirigent, Daniele Gatti, wohl nicht bald wieder auf den "Grünen Hügel" eingeladen werden wird) ebenso weitergearbeitet wie Katharina Wagner an ihren "Meistersingern", in denen Hans Sachs zum Anti-Helden wird und Stolzing am Ende zum (bayreutherischen?) Anpassler. Die Buhs dafür hat sie mit Fassung ertragen.

Auf dem Weg zum Wagner-Jahr 2013

Ausblicke? Alles wartet darauf, dass - vielleicht! - schon bald das "leading team" für die Neuproduktion von Richard Wagners "Ring des Nibelungen" bekannt gegeben wird, die 2013 (nach zwei weiteren Sommern mit dem Dorst-Thielemann-"Ring") das Wagner-Jahr krönen soll. Stephen Spielberg als Regisseur? Kyrill Petrenko als Dirigent? (Letzteres ist wahrscheinlicher.)

Schon bei den Neuinszenierungen der Festspiele 2010 und 2011 sollte die künstlerische Handschrift der medial sehr präsenten Katharina Wagner und der mehr hinter den Kulissen und "integrativ" wirkenden Eva Wagner-Pasquier deutlicher werden als diesmal. Und Anna Netrebko als Elsa im "Lohengrin", wie es Katharina Wagner unlängst in einem Doppel-Interview der beiden durch den Kopf schoss, das wäre doch eine Idee.

Geld für eine neue Probebühne ist auch schon da. Nur das Restaurant, mit seinem Raststätten-Flair der 1970er Jahre, muss einstweilen bleiben, wie es ist - "retro", um es mit Katharina Wagner zu sagen.

Mehr zu den Bayreuther Festspielen in oe1.ORF.at
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Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 6. August 2009, 15:06 Uhr