Kajimaya - das Fest der 97-Jährigen
Altern
Inspiriert durch "Die Reise um die Erde in 80 Tagen" ist das Linzer Ars Electronica Center im Rahmen von "Linz 2009" zu einer Reise um die Welt aufgebrochen. Next Stop: Okinawa, Japan - Linz/Österreich. Das Thema heißt: Altern
8. April 2017, 21:58
Die Insel Okinawa im Süden Japans ist bekannt für ein Phänomen: Hier leben nach Angaben des japanischen Gesundheitsministeriums die meisten Hundertjährigen. 2008 waren 61 von 100.000 Personen hundert und mehr Jahre alt. Im Vergleich dazu sind es in den USA etwa 10 bis 20 Personen von 100.000 Menschen.
In Okinawa werden die 97-Jährigen alljährlich gefeiert, da werden sie in Pickups durch das Dorf gefahren und präsentiert. "Der 97-jährige Opa ist der Star, er teilt sein Alter und die Schönheit des Alters, man freut sich und wird geschätzt in seinem Alter", sagt Sigrid Hofmeister-Watanabe, die 80+1-Projektleiterin für "Aging", die selbst auf Okinawa gelebt hat und japanisch spricht. Der Name des Festes "Kajimaya" - Windrad - kommt daher, dass beim Fest der 97-Jährigen die Kinder mit Windrädern spielen.
Brauchtum und Sage
Der Brauch auf Okinawa, die 97-Jährigen zu feiern, geht auf eine Sage zurück: Der Gott des Himmels fertigte Figuren aus Lehm, diese wurden jedoch immer vom Gott der Erde zerstört, der nicht zulassen wollte, dass jemand sein Element verwendet. Schließlich einigten sich die beiden Götter darauf, dass die Figuren, also die Menschen, hundert Jahre leben können.
Nach 97 Jahren will aber der Gott der Erde seinen Lehm zurückhaben - der Gott des Himmels wehrt sich, da noch keine 100 Jahre vergangen sind. Und wieder kommt es zwischen den beiden Göttern zu einer Einigung: Wer 97 Jahre alt wird, soll gefeiert werden, er wird damit wieder zum Baby und alles fängt wieder von vorne an.
Alte und junge Menschen in Europa
Für den Biologen Kurt Kotrschal von der Universität Wien ist es "unser Glück als ältere Menschen, dass die jungen Menschen hier in Europa gar nicht wissen, wie es woanders ist. Die immer weniger werdenden Jungen müssen immer mehr Leistungen für die Älteren erbringen und haben weniger politisch zu plaudern".
Die europäischen Gesellschaften werden seit den 1950er Jahren kontinuierlich älter, dies liegt einerseits am Geburtenrückgang und andererseits an der steigenden Lebenserwartung der Menschen. Alle acht Jahre erhöht sich in Deutschland das durchschnittliche Sterbealter um ein Jahr.
Der Philosoph Peter Kampits sieht "auf der einen Seite die Verachtung des Alters beziehungsweise ein Abschieben der Alten auf eine Art Abstellgleis, das schrecklich ist." Und: "Auf der anderen Seite haben wir das Problem, wie gehen wir mit den Alten wirklich um. Es gibt zwei Möglichkeiten: die Achtung des Alters in Hinblick auf Erfahrung und Weisheit und auf der anderen Seite die Abschiebung, die in unserer Wirtschafts- und Konsumgesellschaft vorhanden ist, in das Unnütze."
Beide Gesprächspartner wenden sich gegen das Zwangsruhestellen älterer Menschen, nicht nur weil dadurch das Pensionssystem bedroht wird: Kurt Kotrschal zitiert Studien, die zeigen, dass eine erfüllende Arbeit dazu führt, dass sich gewisse Alterungsprozesse verlangsamen - "das spricht eindeutig dagegen, dass man sich mit 60 Jahren in den Liegestuhl legt".
Kajimaya-Fest in Linz
Am Linzer Hauptplatz werden die 97-jährigen Linzerinnen und Linzer gefeiert: Es gibt japanische Gerichte, Musik aus Okinawa und die Theatergruppe Herbstwind wird eine Interpretation eines sehr beliebten Tanzes aus Okinawa aufführen.
Auf einem Monitor kann die Aufzeichnung des Festes in Okinawa mitverfolgt werden und auf einem weiteren Bildschirm können die Linzerinnen und Linzer mit den Bewohnern von Okinawa via skype in Verbindung treten.
"80+1 - Eine Weltreise" ist ein Projekt für Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas. Mit freundlicher Unterstützung der voestalpine AG.
Mehr zu Linz 2009 in oe1.ORF.at
Hör-Tipps
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr, "80+1 - Eine Weltreise", Berichte über das Projekt von "Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas". Die einzelnen Beiträge sind auch über den Ö1 Podcast erhältlich.
Mehr dazu unter Ö1 Podcast
Die Sendungsinhalte zum Projekt "80+1" sind auch mobil unter der Festnetznummer 050 304-2009 abrufbar (Gebühren gemäß den Tarifen Ihres Telefonanbieters).
Tipp
Zum Abschluss von 80+1 und dem gleichzeitigen Beginn der Ars electronica ist Radio Österreich 1 mit dem "Mobilen Ö1 Atelier" als Kommunikationsplattform auf dem Linzer Hauplatz präsent und widmet sich in Zusammenarbeit mit dem Festival dem Kernthema "Human Nature“. Parallel dazu ist das Ö1 Kulturjournal live vor Ort und sendet von 31. August bis 4. September erstmals aus dem obersten Stock des neuen Ars Electronica Center (AEC).
Veranstaltungs-Tipp
Das erste Kajimaya-Fest in Linz findet am 8. August 2009, von 12:00 bis 14:00 Uhr am Linzer Hauptplatz statt.
Link
80 + 1