Besessenes Theatergenie

Rainer Simons

Das besessene Theatergenie Rainer Simons machte in kürzester Zeit aus dem heruntergewirtschafteten, deutsch-nationalen Theater am Währinger Gürtel "die Volksoper" - mit einem breitgefächerten Programm von der Operette bis zu Wagners "Ring".

Er zählte zu den großen Theatergenies rund um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Rainer Simons, geboren in Köln, am 16. August 1869, und gestorben vor 75 Jahren, am 17. August 1934 in Rottach am Tegernsee.

Schon sein Vater - Karl Simons - war ein prominenter Sänger und Theaterleiter gewesen, Sohn Rainer trat nach dem Tod des Vaters in seine Fußstapfen. Rainer Simons erhielt eine fundierte musikalische Ausbildung, unter Anderem bei Engelbert Humperdinck, und wurde so Kapellmeister, Sänger und Regisseur, hat das Metier also von der Pieke auf erlernt.

Von "Charlys Tante" zum "Freischütz"

Als er 1903 das völlig heruntergekommene Haus am Währinger Gürtel übernahm, das damals noch "Kaiserjubiläums-Stadttheater" hieß, führte er es zunächst als Sprechbühne weiter, doch war ihm von Anfang an bewusst, dass alle Überlebenschancen für das Haus in der Opernwelt lagen.

Er vergrößerte Orchester und Chor und konnte bereits in seiner zweiten Spielzeit die erste echte Opernpremiere herausbringen: Carl Maria von Webers "Freischütz" unter der musikalischen Leitung von Alexander von Zemlinsky.

Konkurrenz für die Hofoper

Der bis heute als Komponist hoch angesehene Zemlinsky wurde damit als Dirigent sein wichtigster Verbündeter in seinen Bemühungen um eine echte Wiener Volksoper. Der Name "Volksoper" prangte bald auch auf den Theaterzetteln und das ist bis heute so geblieben.

Simons hat damit gleichsam aus dem Nichts heraus, der Stadt ein zweites, glanzvolles Operninstitut geschenkt, ja mehr noch, er trat selbstbewusst auch in Konkurrenz zur schwerfälligeren Hofoper, der er so manche Ur- oder Erstaufführung vor der Nase weggeschnappt hat - und das ohne jede staatliche Subvention.

Sensationen: "Tosca" und "Salome"

So spielte Simons bereits acht Jahre vor dem Haus am Ring die "Salome" von Richard Strauss, und war ebenso bei Puccinis "Tosca" drei Jahre vor der Hofoper am Zug.

Am 20. Februar 1907 hatte "Tosca" unter Zemlinsky Premiere, wenig später erlebten die Wiener auch schon ein Sensationsgastspiel unter dem Uraufführungsdirigenten Leopoldo Mugnone und mit drei italienischen Weltklasse-Sängern: Gemma Bellincioni, Alessandro Bonci und Giuseppe de Luca.

Weltstars zu Gast

Wenn Simons größte Aufmerksamkeit auch dem Aufbau eines eigenständigen Ensembles gegolten hat, so lud er doch immer wieder illustre Gäste ein, etwa den legendären Belcanto-Bariton Mattia Battistini, der immer wieder das Volksopernpublikum in Hochstimmung versetzt hat.

Auch Emmy Destinn, die aus Prag stammende spätere MET-Primadonna und Caruso-Partnerin, hat mehrfach an der Volksoper Gastspiele gegeben, und selbstverständlich gastierte immer wieder der "göttliche Leo" Slezak bei Simons, wenn sein Stammhaus auch die Wiener Hof- bzw. Staatsoper geblieben ist.

Jüdische Künstler

Der Nachwuchspflege aber galt Simons Hauptaugenmerk und hier distanzierte er sich ganz deutlich von den Intentionen des Hausgründers, des Schriftstellers Adam Müller-Gutenbrunn, der eine deutsch-nationale, sprich antisemtische, Kunststätte im Auge gehabt hatte.

Simons hingegen war weltoffen genug, sich von solchen fatalen Vorurteilen fernzuhalten. Zu seinem Ensemble zählten daher angefangen von Zemlinsky eine ganze Reihe jüdischer Künstler, so zum Beispiel Klara Musil und Lotte Schöne, Joseph Mann und Joseph Schwarz, alles Gesangsgrößen erster Ordnung, die insbesondere bei Plattensammlern bis heute hochgeschätzt sind.

Maria Jeritza

Simons wahrscheinlich größte vokale Entdeckung aber war ohne Zweifel Maria Jeritza, die nach ihrer Volksopernzeit zu einer internationalen Kult-Primadonna aufstieg (O-Ton Marcel Prawy: "Stimme wie Birgit Nilsson - Aussehen wie Marilyn Monroe").

Aus der zunächst steif und unbeholfen wirkenden Anfängerin formte Rainer Simons eine mitreißende Singschauspielerin, vor der nicht nur das Publikum auf den Knien lag, sondern auch die großen Komponisten ihrer Zeit (Puccini und Strauss).

Trauriges Ende

Nach seinem Ausscheiden aus der Volksoper, versuchte Rainer Simons in Wien den phantastischen Traum eines Monumentaltheaters zu verwirklichen. Doch dieser kühne Plan misslang, wie alles andere, was er in den kommenden Zeiten anstrebte.

Immer wieder griff er neue Projekte auf und büßte dabei sein Vermögen und schließlich auch seine Gesundheit ein. Am 17. August 1934 fand das Leben dieses theaterbesessenen Menschen mit nur 65 Jahren sein Ende.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 11. August 2009, 15:06 Uhr