Die Überwindung der Teilung Europas

1989: Das Ende einer Illusion

1989 ist bereits jetzt ein wichtiges Jahr der Weltgeschichte. Es reiht sich ein in eine Tradition mit 1789, 1848 oder 1918 und gilt als Epochengrenze. Freiheit, Menschenwürde, Gerechtigkeit sind zentrale Forderungen, die 1989 gestellt wurden.

1989 ist bereits jetzt eines der wichtigsten Jahre der Weltgeschichte. Es reiht sich ein in eine Tradition mit 1789, 1848 oder 1918. Es gilt bereits jetzt als Epochengrenze. Freiheit, Menschenwürde, Gerechtigkeit - das sind einige der zentralen Forderungen, die 1989 in den kommunistischen Diktaturen gestellt wurden. Wer sind die Helden von 1989? Neben zahlreichen Aktivisten trugen auch hochrangige Politiker wie Michail Gorbatschow das Ihre dazu bei, dass die kommunistischen Diktaturen Mittel- und Osteuropas zusammenbrachen. Der Westen trägt daran übrigens kaum einen Anteil. Der Umschwung kam überraschend und schnell, er erwischte die Regierungen Westeuropas relativ unvorbereitet.

Entscheidend für die Massenbewegungen des Jahres 1989 waren unter anderem die nicht erfüllten Versprechungen der kommunistischen Machthaber, die den "Wettbewerb um die Herzen der Menschen" gegenüber dem westlichen Lebensmodell verloren. Doch es gab auch handfeste ökonomische Gründe. Die technologische Revolution der 1970er Jahre mit Mikrochip und Computerisierung wurde im Osten "verschlafen". Das Aufholen des technologischen Rückstands führte zu hoher Verschuldung vieler kommunistischer Staaten. Dazu kamen die hohen Ausgaben für Rüstung und staatlicher Verwaltung, die nun nicht länger finanzierbar waren.

Die "samtene Revolution" und die Einheit Europas

In vielen Staaten ging die Transformation relativ friedlich vor sich, etwa in Polen, Ungarn, der DDR oder der Tschechoslowakei. Deshalb wird 1989 dort auch als friedliche Revolution oder in der letzterer als samtene Revolution bezeichnet. Bürgerbewegungen wie die Charta 77, die Gewerkschaft Solidarnosc oder das Magyar Demokrata Fórum setzten auf gewaltfreien Widerstand. In manchen Staaten kam es allerdings zu blutigen Auseinandersetzungen. Die Revolution in Rumänien forderte tausende Menschenleben, und auch die brutale Niederschlagung des Protests am Pekinger Platz des Himmlischen Friedens fand im Jahr 1989 statt.

1989 hat nicht nur die ehemals kommunistischen Länder zu Demokratie und Kapitalismus geführt. Es hat auch Europa verändert. Der Eiserne Vorhang fiel. Die Teilung Europas war überwunden. Der Wegfall des Sozialismus ließ die freie Marktwirtschaft zu einer - oft viel kritisierten - Grundsäule der EU werden.

Das Ende einer Illusion?

Der französische Historiker Francois Furet nennt seine umfassende Darstellung der Geschichte des Kommunismus im 20. Jahrhundert "Das Ende einer Illusion". Darin behandelt er die Faszination, die der Kommunismus lange Zeit vor allem auf Intellektuelle ausübte, auch auf ihn selbst. Furet geht aber auch auf die Enttäuschungen ein, welche die Entwicklung des Kommunismus und der kommunistischen Staaten für zahlreiche Anhänger der Idee darstellten.

Aber brachte 1989 wirklich ein Ende des Kommunismus mit sich? Hier muss differenziert werden. Das Ende der Vision einer solidarischen Gesellschaft, die auf sozialen Ausgleich setzt, ist sicherlich noch nicht gekommen. Die Illusion, mit diktatorischen Mitteln eine sozialistische Gesellschaft zu installieren, ist für Europa jedoch auf weite Sicht gescheitert.

Vielfach wird auch festgestellt, dass mittlerweile auch die postkommunistische Illusion, die freie Marktwirtschaft würde zu Demokratie und Wohlstand für alle führen, gescheitert sei. In vielen postkommunistischen Staaten gibt es ein großes Wohlstandsgefälle, verbreitete Armut, ein dünnes soziales Netz und eine hohe Überschuldung.

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 12. August 2009, 21:01 Uhr