Mord und Liebe

Senyoria

In "Senyoria" geht es um einen Herrscher, einen Mord und die Liebe. Das alles im Barcelona des Jahres 1799. Jaume Cabrés im Original bereits 1991 erschienener Roman "Senyoria" wurde bereits mit mehreren wichtigen Literaturpreisen ausgezeichnet.

Für einen Schriftsteller gäbe es zwei Möglichkeiten mit seinen Romanen Geld zu verdienen, sagte Max Goldt einmal sinngemäß. Entweder er siedle eine Liebesgeschichte im Dritten Reich an - dann bekomme er Förderungen und Stipendien - oder im Mittelalter: Dann könne er von den Buchverkäufen leben. Denn früher war - das weiß man ja - alles besser. Oder wenn schon nicht besser, dann zumindest interessanter. Die Frauen schön und begehrenswert, die Männer mutig, die Armen noch wirklich arm - nix da Mindestsicherung, Handy und Fernseher, die Kerker noch richtige Kerker und die Herrscher noch so richtig schön korrupt und fies. Da schlägt das Autorenherz höher. Und das des Lesers auch.

Eine historische Liebesgeschichte ist gut, ein historischer Krimi fast noch besser - wie gut muss dann erst ein Roman sein, der im Barcelona des Jahres 1799 spielt und eine Liebesgeschichte und einen Mord und korrupte Herrscher zum Inhalt hat? Sehr gut, hat sich Jaume Cabré wohl gedacht und er sollte Recht behalten. Sein im Original bereits 1991 erschienener Roman "Senyoria" hat sich sehr gut verkauft und wurde mit mehreren wichtigen Literaturpreisen ausgezeichnet. Ersteres ist verständlich, Zweiteres nicht ganz. Denn so wirklich zu überzeugen mag Cabrés Buch nicht.

An andere Texte erinnernd

Im Mittelpunkt des Textes steht der Präsident des Königlichen Gerichts in Barcelona, Don Rafael Massó i Pujades, der größten Wert darauf legt, dass ihn alle mit der ihm gebührenden Bezeichnung ansprechen: Senyoria - Euer Gnaden. Don Rafael isst gerne und zu viel, hat sich in eine junge bezaubernde Baronin verschaut, betrügt seine Frau, betrachtet die Sterne und hat stets Angst, irgendjemand könnte seine gesellschaftliche Stellung in Gefahr bringen.

Er wirkt, als wäre er einem Balzac-Roman entsprungen, so bürgerlich ist er, so lächerlich, so durch und durch verschlagen. Das Gefühl, etwas zu lesen, was an andere Texte erinnert, verfolgt einen das ganze Buch über. Wenn Cabré zum Beispiel den stinkenden Kerker beschreibt, in den der Verdächtige eingesperrt wird und die politischen Ränke darlegt, die zu eben jener Inhaftierung geführt haben, dann meint man, eine Paraphrase vom Alexandre Dumas' "Der Graf von Monte Christo" vor sich zu haben.

Zitat und Appropriation sind in der modernen Kunst nichts Besonderes und nichts Beklagenswertes - nur sollte man die Techniken einsetzten, um etwas zu schaffen, was über das Zitierte und Angeeignete hinausgeht. Cabré tut das leider nicht - und so bleibt bei ihm das Historische bloß Zierrat.

Ränkeschmiede

Aber nun weiter in der Handlung: Eines Tages also nun kommt die berühmte französische Sängerin Marie de l'Aube Desflors nach Barcelona, um vor den versammelten Honoratioren ihre Kunst zu präsentieren. Nicht nur aber besitzt die Künstlerin eine eindrucksvolle Stimme, sie verfügt auch über eine eindrucksvolle sexuelle Energie. Deshalb schnappt sie sich den jungen Dichter Andreu Perramon und verbringt mit ihm die Nacht.

Am nächsten Morgen ist die Sängerin tot und Andreu wird verhaftet und eingekerkert. Natürlich beteuert er seine Unschuld, aber niemand will ihm glauben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die politischen Kräfte darauf geeinigt haben, an ihm ein Exempel zu statuieren und ihn schnell verurteilen wollen. Der einzige, der ihn entlasten könnte ist sein Freund Nando, ein junger Komponist, der aber leider gerade beim Heer ist und von den Nöten seines Kumpels nichts mitbekommt.

Mehr erwartet

Das alles ist gut komponiert und über weite Strecken auch gut geschrieben. Leider aber wirken die Figuren oft sehr statisch. Da werden nicht Menschen mit ihren Sorgen, Nöten und Begierden beschrieben, sondern Karikaturen vorgeführt. Und dann pflegt Cabré mitunter einen sehr ausschweifenden Stil. So schreibt er:

Das Jahr hat 365 Tage. Zieht man die zweiundfünfzig Freitage und dreiundfünfzig Sonntage ab, die nicht zu gebrauchen sind, weil an dem einen des Leiden Christi gedacht wird und der andere der Tag des Herrn ist, so bleiben zweihundertsechzig. Von diesen wiederum gehen die Tage der Fastenzeit ab, bekanntermaßen vierzig an der Zahl, wobei zu bedenken ist, dass wir ja die Freitage und Sonntage schon abgerechnet haben, so dass man summa summarum auf dreißig Fastentage kommt. Nach Abzug dieser dreißig Tage bleiben immer noch erfreuliche zweihundertdreißig Tage über.

So geht das über zweieinhalb Seiten dahin, bis Cabré endlich erklärt, wozu diese seltsame Rechnung gut ist, nämlich, dass Don Rafel nicht mehr mit seiner Frau schläft und sich eine Freundin genommen hat. Man kann diesen Stil als "raffiniert und komödienhaft" bezeichnen, so wie der Verlag das tut, oder aber als geschwätzig und langweilig.

Jaume Cabrés Buch liest sich leicht und schnell. Leider gibt es aber wenig, das dieses Buch über die Vielzahl anderer historischer Romane hinaushebt. Und das sollte man von einem bei Suhrkamp Verlag erschienen Buch doch erwarten dürfen.

"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.

Hör-Tipps
Das Buch der Woche, Freitag, 14. August 2009, 16:55 Uhr

Ex libris, Sonntag, 16. August 2009, 18:15 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Jaume Cabré, "Senyoria", aus dem Spanischen übersetzt von Kirsten Brandt, Suhrkamp Verlag

Link
Suhrkamp - Senyoria