Eine intellektuelle Sopranistin mit Leidenschaft

Hildegard Behrens gestorben

Die international renommierte deutsche Sopranistin Hildegard Behrens ist tot. Sie starb am Dienstag in einem Krankenhaus in Tokio im Alter von 72 Jahren. Behrens war vor allem als Wagner- und Strauss-Sängerin bekannt und trat an den bedeutenden Opernbühnen der Welt auf.

"Zehn Jahre habe ich auf eine Salome gewartet. Vielleicht habe ich sie gefunden." Mit diesem Satz Herbert von Karajans begann die Weltkarriere von Hildegard Behrens - bei einer "Wozzeck"-Probe an der Düsseldorfer Rheinoper, die Karajan neugierhalber besuchte, um die Darstellerin der Marie kennenzulernen.

1977 war Hildegard Behrens in der Richard-Strauss-Oper dann die Sensation der Salzburger Festspiele: eine "moderne" Salome von fiebriger Intensität, mit einem Leuchten in der Stimme, wie man es lange nicht erlebt hatte. Der Durchbruch einer Stimm-Schauspielerin, die "problematische", intellektuell fordernde und exaltierte Rollen-Charaktere liebte - und mit ihnen Erfahrung hatte: In die "große" Karriere stieg die 1937 geborene Hildegard Behrens mit dem Rückhalt eines ausgedehnten Repertoirs.

Eine Spätstarterin

Wer mit 34 erstmals den Fuß auf eine Opernbühne setzt, tritt mit dem "Spätstarter"-Malus an. Die Arzttochter aus Varel, die in Freiburg ein Jus-Studium abschloss, begann erst mit Ende 20 mit der Gesangsausbildung. Im Düsseldorfer Opernstudio wurde sie als Elevin und für Nebenrollen angenommen, bald aber auch für Partien wie "Figaro"-Gräfin, Fiordiligi und "Freischütz"-Agathe eingesetzt.

Dass Potenzial über das Lyrische und Kantable hinaus vorhanden war, zeigte sich bei den ersten Versuchen mit Wagner-Rollen - Elsa im "Lohengrin", "Tannhäuser"-Elisabeth -, in Frankfurt und weiter in Düsseldorf. Schneller noch als Herbert von Karajan waren die Talente-Scouts der New Yorker Metropolitan Opera, die Hildegard Behrens 1976, reichlich unkonventionell für eine deutsche Sopranistin, als Giorgetta in Puccinis Verismo-Schocker "Il tabarro" debutieren ließen. Dann kam die Salzburger "Salome", samt begleitender Plattenproduktion in Berlin (nicht nur für die Behrens, sondern auch für Karajan ein Debüt), und die Opernwelt hatte einen neuen Star.

Star im Pampenlicht
Für Karl Böhm war Hildegard Behrens in den folgenden Jahren eine flammend entschlossene Leonore in Beethovens "Fidelio", für Giuseppe Sinopoli eine weniger mit Klangfülle als mit psychologischen Nuancen punktende Tosca, für Leonard Bernstein schließlich, bei seiner auf drei Abende verteilten, längst legendär gewordenen konzertanten "Tristan und Isolde"-Aufführung in München die Isolde nicht nur seiner Träume. Bei den Salzburger Festspielen machte Karl Böhm Hildegard Behrens zu seinem 85. Geburtstag als "Ariadne auf Naxos" zur Rollen-Nachfolgerin einer Leonie Rysanek.

Alle diese Auftritte absolvierte Hildegard Behrens - zumindest symbolisch - im hellsten Scheinwerferlicht, oft auch vor TV-Kameras. Eine schlanke, bewegliche, im Agieren mitreißende, menschlich glaubwürdige Darstellerin in allen diesen immer dramatischer werdenden Partien - wann hatte man es zuletzt erlebt?

Das Spätwerk

Als 1983, im 100. Todesjahr Richard Wagners, Sir Georg Solti nach Bayreuth kam, um dort einen neuen "Ring des Nibelungen" zu dirigieren, ging es für Hildegard Behrens weiter zur Brünnhilde. Auch diese Hürde nahm sie mit der ihr eigenen Mischung aus Emotionalität und intellektueller Durchdringung - aber die bei ihr stets "interessant" belegt und verletzlich klingende Stimme kam nun hörbar an ihre Grenzen. Trotzdem wurden ab diesem Zeitpunkt gerade die Wagner-Heroinen die meistgefragten Partien von Hildegard Behrens: eine "wilde, minnige Maid" in der Nachfolge der ebenso dramatisch suggestiven Gwyneth Jones, bald im Dauereinsatz zwischen New York und London, Paris und Wien.

Auch Rollen wie der Katarina Ismailowa in Schostakowitschs exzessiver "Lady Macbeth von Mzensk" oder der alterslosen Emilia Marty in Janaceks "Sache Makropoulos" drückte Hildegard Behrens ihren Stempel auf. Für Claudio Abbado war sie an der Wiener Staatsoper die "Wozzeck"-Marie und die Elektra in der Strauss-Oper, Luciano Berio schrieb für sie die 1999 in Salzburg uraufgeführte "Cronaca del luogo".

In dieser Zeit kam es auch zum Fachwechsel - von der Jenufa zur Küsterin, von der Senta zur Kundry. Hildegard Behrens begann zu unterrichten und intensivierte ihre Konzerttätigkeit. Am 20. August hätte sie beim Musikfestival im japanischen Kusatsu einen Liederabend geben sollen, mit Musik von Schubert und Mendelssohn, Spohr und Kalliwoda, und einem anschließenden Meisterkurs. Auch in Kusatsu weht nun die schwarze Fahne.

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Hör-Tipp
Ö1 ändert in memoriam Hildegard Behrens sein Programm.
Aporpos Oper, Donnerstag, 20. August 2009, 15:06 Uhr