Roman-Biografie von Michael Faraday
Die Entdeckung des Lichts
Ralf Bönt beschreibt die Geschichte der Faradyschen Entdeckungen rund um das Wesen des Elektromagnetismus und des Lichts. Für Menschen, die mehr über die Geschichte der Physik wissen wollen, ist das Buch eine ergiebige Lektüre.
8. April 2017, 21:58
Die berühmteste Anekdote um den Erforscher der Elektrizität, Michael Faraday, wurde - in verschiedenen, teils abgewandelten Varianten - auch über die engen Fachkreise der Wissenschafter hinaus bekannt:
Eines Tages besuchte demnach der Finanzminister des britischen Weltreichs, William Gladstone, den bereits weltberühmten Physiker in seinem Labor in der Royal Institution. (Nach anderen Versionen soll es gar der Premierminister Robert Peel persönlich gewesen sein.) Der imperiale Säckelwart ließ sich einige Experimente vorführen, und meinte schließlich, das sei ja alles schön und gut, indes: Wozu soll der elektrische Strom eigentlich nütze sein? Faradays kolportierte Antwort: Ich habe keine Ahnung, Sir. Aber ich bin sicher, Ihre Nachfolger werden schöne Steuern darauf eintreiben.
Die Anekdote findet sich auch in Ralf Bönts biografischem Roman über Michael Faraday, über die Elektrizität und über die "Entdeckung des Lichts" - so auch der Titel dieses Romans.
"Licht ist magnetisch"
Michael Faraday, geboren 1791, war unter den ersten Naturforschern, die das vermuteten: Licht ist Elektromagnetismus, ist ein Produkt der gleichen Kraft, die Motoren antreibt, Radiogeräte, CD-Player, Lautsprecher, Bildschirme oder Computer. Genauer gesagt: Faraday war sich persönlich dessen sogar sicher. Endgültig beweisen konnte er es nicht.
Immerhin lieferte er einen ersten klaren Hinweise: In einem seiner berühmten Versuche zeigte er, dass sich bei polarisiertem Licht die Polarisationsrichtung durch Magnetfelder beeinflussen lässt. "Licht ist magnetisch", verkündete er den erstaunten Zeitgenossen in der folgenden Publikation.
Von anderen bestätigt
Eine weitere, kaum mehr zu bezweifelnde Bestätigung lieferte dann James Clerk Maxwell einige Jahre vor Faradays Tod: Er berechnete, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen im Raum exakt gleich war der gemessenen Geschwindigkeit des Lichts. Das konnte kein Zufall sein. Bei einem Besuch in Faradays Haus in London stellte der junge Maxwell sein Ergebnis dem berühmten alten Mann vor.
Wie weit dieser die Bedeutung, die Bestätigung seiner eigenen Ideen, noch erfassen konnte, wissen wir nicht: Faraday hatte sich durch den sorglosen Umgang mit toxischen Substanzen, vor allem dem schleichenden Nervengift Quecksilber, bei seinen Experimenten selbst vergiftet. Die Quecksilberdämpfe, die er über die Jahre hinweg einatmete, zerstörten schließlich sein Nervensystem.
Versuche und Rückschläge
Ralf Bönt beschreibt in seinem Roman gekonnt die Geschichte der Faradyschen Entdeckungen rund um das Wesen des Elektromagnetismus und des Lichts. Spannend referiert er das langsame Sich-Vortasten von einem Versuch zum nächsten, von einer Messung zur anderen. Mitunter, oft sogar, hat ein Experiment freilich kein Ergebnis, es beweist schlicht nichts. Ein Rückschlag. Dann sind neue Ideen nötig.
Romanautor Bönt lässt seinen Physiker bei solchen Gelegenheiten gern sinnierend rund um den Labortisch laufen. Oder er schickt ihn auf spontane Spaziergänge durch die Stadt, wo sich beispielsweise auf einer Brücke über die Themse die verwirrten Gedanken plötzlich neu ordnen und sich zu einem anderen, innovativen Modell formen, das zu erproben ist.
Streng logisch und rational
Spätestens seit Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt" stehen Romane rund um Naturwissenschaftler hoch im Kurs, obwohl man den Titanen des nüchternen Geists traditionell ja Unauffälligkeit und eine gewisse persönliche Farblosigkeit, somit Unergiebigkeit für die Literatur nachsagt.
Bönt, selbst studierter Physiker, der unter anderem immerhin am CERN in Genf arbeitete und somit als fachlich über jeden Zweifel erhaben gelten kann, macht das Beste daraus. Sein streng logischer und immer rational orientierter Faraday wird freilich auch durch alle Bemühungen nicht zu einer - im eigentlichen Sinn - schillernden Persönlichkeit.
Vom Buchbinder zum Physiker
Bemerkenswert ist allerdings seine Biografie: Der Physiker stammte aus ärmlichsten Verhältnissen, er verließ die Schule mit 13 Jahren, um zum Familienunterhalt beizutragen, konnte zu diesem Zeitpunkt mühsam Lesen und Schreiben und beherrschte gerade die Grundrechnungsarten.
In der Folge nahm Michael eine Lehre als Buchbinder auf, und erst dadurch kam er mit dem Stand des Wissens seiner Zeit überhaupt in Berührung: Er las nebenher die Bücher, die er eigentlich bloß vernähen und in Deckel einkleben sollte. Irgendwann ergatterte er eine Stelle als Laborgehilfe im physikalischen Institut der Royal Institution. Und wie schon bei der Buchbinder-Lehre: Nächtens, außerhalb der Dienstzeiten, unternahm er im Labor seine eigenen Experimente.
Nur langsam, für Faradays eigenes Empfinden quälend langsam, stieg der hoch talentierte Jüngling aus der untersten Schicht im klassenbewussten England auf, wurde er von den Kollegen endlich ernst genommen. Bis er endlich Präsident und prominentestes Mitglied jener ehrwürdigen Institution war, in der er als Unterläufel angefangen hatte. Eine kleine Hilfe waren Faraday dabei auch seine rhetorischen Fähigkeiten, sein Talent, seine Erkenntnisse lebhaft und verständlich in populären Vorträgen und Vorlesungen darzustellen.
Im Dschungel der Phänomene
Ruhig und mit großem Hintergrundwissen beschreibt Ralf Bönt diese Biografie eines Genies, das Auf und Ab seines Lebens wie auch seiner wissenschaftlichen Erfolge. Eine wohl dosierte, lakonisceh Ironie hilft dem Autor dabei, nie zu pathetisch zu werden, aber doch immer eindringlich genug zu bleiben.
Allerdings muss man anmerken, dass sein "Roman", wie er auf dem Buchumschlag bezeichnet wird, diesen Titel nicht ganz verdient. Eigentlich handelt es sich um eine Biografie, angereichert mit fiktionalen Elementen, die Bönt mit der "Entdeckung des Lichts" vorlegt. Für einen "echten Roman" ist Ralf Bönts Werk dann doch etwas zu gerade und zu simpel gestrickt.
Für einschlägig interessierte Leser aber, für Menschen, die mehr über die Geschichte der Physik in einer ihrer spannendsten Phasen wissen wollen, für Konsumenten, die sich für die oft krummen Wege begeistern, die die Erforschung der Natur im Dschungel der Phänomene und Erscheinungen nehmen muss - für all diese Leser ist Bönts Buch fraglos eine ergiebige Lektüre.
Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 23. August 2009, 18:15 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Ralf Bönt, "Die Entdeckung des Lichts", DuMont Buchverlag
Link
DuMont - Die Entdeckung des Lichts