Die vielen Gesichter der Not

Armut in Österreich

Bereits seit den 1990er Jahren sind rund 12 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher armutsgefährdet oder von manifester Armut betroffen. Infolge der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise droht diese Zahl weiter anzusteigen.

Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Nichtsdestotrotz sind etwa 1,1 Millionen Menschen in diesem Land armutsgefährdet. Ein Drittel der Menschen muss Beschränkungen seiner Lebensführung hinnehmen. "Die zunehmende soziale Ungleichheit verkörpert ein Problem des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Es gilt nicht zuletzt auch aus demokratiepolitischen Erwägungen, eben jene Problemlagen, welche mit extremer sozialer Ungleichheit einhergehen, rasch, ganzheitlich und nachhaltig zu lösen, um BürgerInnen ein Leben frei von Armut zu gewährleisten“, fordern die Herausgeber und Herausgeberinnen des Buchs "Armut in Österreich“.

Die üblichen Verdächtigen

Als besonders schockierend nennt die Soziologin Karin Heitzmann die Tatsache, dass seit mehr als einem Jahrzehnt immer die gleichen Gruppen betroffen sind, aber dennoch keine Regierung sich für eine nachhaltige Armutsbekämpfung und Armutsprävention eingesetzt habe.

Zu den armutsgefährdeten und in Armut lebenden Personen zählen Langzeitarbeitslose, Alleinerzieherinnen, Mindestpensionistinnen, kinderreiche Familien und Familien mit migrantischem Hintergrund - und deren Kinder. Ein Viertel der armutsgefährdeten oder in Armut lebenden Personen sind Kinder. Die Sozialleistungen sind äußerst wichtig - ohne diese Leistungen läge die Armutsgefährdung bei 43 Prozent -, doch sie reichen bei weitem nicht aus.

Isolation und Ausgrenzung
Der Verlust des Arbeitsplatzes, ein Unfall, eine Krankheit, kurz: jede Verschlechterung der Einkommenssituation kann für Familien und Einzelpersonen mit einem geringem Einkommen in die Schuldenfalle und in der Folge zu einem jahrelangen Leben an der Armutsgrenze führen. Die meisten Betroffenen bemühen sich, ihre Lage zu verheimlichen und sich durch zu kämpfen. Viele ziehen sich zurück, lieber riskieren sie die völlige Isolation, bevor sie anderen ihre Notlage eingestehen. Der Schritt, sich ans Sozialamt oder die Schuldenberatungsstelle zu wenden, kostet große Überwindung. Für Kinder bedeutet der permanente Verzicht eine schwere psychische Belastung, und er führt häufig zur Ausgrenzung.

Weiter Debatten um Mindestsicherung
Einrichtungen wie die Sozialmärkte oder Initiativen wie die Wiener Tafel sind bemüht, einen kleine Unterstützung zu leisten, doch sie können nicht eine solide Wirtschafts- und Sozialpolitik ersetzen, deren Ziel die Armutsprävention sein sollte. Welchen Beitrag zur Armutsverringerung in Österreich die neue bedarfsorientierte Mindestsicherung leisten wird, bleibt abzuwarten.

Noch steht nicht endgültig fest, wie sie tatsächlich aussehen wird, wenn sie im Herbst 2010 eingeführt wird. Nach den jüngsten Debatten steht zu befürchten, dass die so genannte Mindestsicherung keinesfalls das zum Überleben nötige Minimum sicher stellen wird. Den Durchbruch, von dem Politiker immer wieder sprechen, können Sozialexperten wie Martin Schenk nicht erkennen.

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 31. August 2009 bis Donnerstag 3. September 2009, jeweils 9:05 Uhr

Buch-Tipps
Nikolaus Dimmel, Karin Heitzmann, Martin Schenk (Hrsg.): "Handbuch Armut in Österreich", Studien Verlag 2009

Irina Vana, Ursula Till-Tentschert (Hrsg.), "In Armut aufwachsen. Empirische Befunde zu Armutslagen von Kindern und Jugendlichen", Institut für Soziologie der Universität Wien 2009

Links
Statistik Austria
Armutskonferenz
Wiener Tafel
Interact