Die Integration fördern

Roma-Kinder in Wiens Klassenzimmern

Obwohl Roma-Schülerinnen und -Schüler mehrere Sprachen beherrschen, gelten sie als Problemkinder. Das EU-Projekt INSETROM unterstützt Lehrer dabei, Roma-Schüler mit Migrationshintergrund besser in den Unterricht zu integrieren.

Sie sprechen Romanes, die Sprache ihres Herkunftslandes, meist auch gut Deutsch und gelten dennoch als Kinder mit Sprachproblemen. Sie sind Roma und zählen gleichzeitig nicht zur anerkannten Minderheit dieser Volksgruppe, weil sie Migranten sind. Und sie werden oft gar nicht als Roma wahrgenommen.

Im 15. Bezirk ist der Anteil von Kindern nicht-deutscher Muttersprache relativ hoch. Unter diesen Migranten finden sich auch viele Roma-Kinder, die allerdings oft nicht als solche wahrgenommen werden, erklärt Gerlinde Hufnagl, Lehrerin im Sonderpädagogischen Zentrum Kröllgasse: "Durch unsere Aufnahmebögen ist das nicht immer ersichtlich. Da steht: 'Aus Serbien, Muttersprache: Serbisch.'"

Bei den Roma handelt es sich darüber hinaus um eine sehr heterogene Gruppe, wo auch das Herkunftsland eine entscheidende Rolle spielt.

"Lernen muss jeder"

Der Zeitpunkt der Migration, der Grund für diese, das Geschlecht und Alter der Kinder spielen beim Integrationsprozess eine entscheidende Rolle, erklärt Mikael Luciak vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien: "Wenn es Familien sind, die geflohen sind, die vielleicht einen unsicheren Aufenthaltsstatus in Österreich haben, dann heißt das auch für die Eltern eine größere Zusatzbelastung. (...) Und diese Situation ist natürlich nicht sehr lernförderlich."

Etwas zu lernen ist vielen Schülern durchaus wichtig. Die Bedeutung ihrer Ausbildung für die berufliche Laufbahn ist ihnen bewusst. "Na, lernen muss jeder", meint Darko Stan, der das Sonderpädagogische Zentrum Kröllgasse besucht. "Wenn's keine Schule gibt, dann gibt's auch keinen guten Beruf", sagt er.

Hilfe durch Muttersprachenlehrer

Die Unterstützung der Eltern beim Schulbesuch ihrer Kinder hängt nicht zuletzt von den Schulerfahrungen der Eltern ab. Negative Erfahrungen der Eltern können aber auch Motivation sein, die Kinder in ihrer schulischen Laufbahn bestmöglich zu unterstützen.

Im Kontakt mit den Eltern sind die Lehrer immer wieder für die Hilfe durch sogenannte "Muttersprachenlehrer" dankbar. Sie überwinden im Gespräch die kulturelle und sprachliche Barriere. Rabie Perić-Jasar ist eine von zwei Romanes-Muttersprachenlehrern in ganz Wien. Ihre Aufgabe ist es nicht, den Kindern akzentfrei Deutsch beizubringen, sondern mittels ihrer unterschiedlichen Sprachkompetenzen gute Kontakte zu den Kindern und Familien aufzubauen.

Rabie Perić-Jasar begleitet die Roma-Kinder auch im Klassenzimmer, was von den unterrichtenden Lehrern sehr positiv aufgenommen wird. Wenn sie da ist, reden Roma-Kinder offener über ihre Bräuche und Kulturen, ist Gerlinde Hufnagl vom sonderpädagogischen Zentrum Kröllgasse aufgefallen.

Klima der Anerkennung schaffen

Sehr viele Lehrer sprechen das Thema "Roma" im Rahmen des Unterrichts nicht explizit an, berichtet Mikael Luciak vom Institut für Bildungswissenschaft. In jedem Fall sei die Thematisierung der Roma im Unterricht ganz wichtig für den Integrationsprozess der Kinder, gerade deswegen, weil diese Ethnie sehr oft gegen Vorurteile kämpfen muss. "Wenn man ein Klima der Anerkennung schafft, wo die Kinder vielleicht stolz erzählen können, dass sie Roma-Angehörige sind, dass sie Romanes sprechen, das macht schon etwas auch mit der Identität dieser Kinder", meint er.

EU-Programm zur Unterstützung der Lehrer

Lehrer der Volksschule Johnstraße, des Sonderpädagogischen Zentrums Kröllgasse und der Kooperativen Mittelschule Selzergasse drücken nochmals die Schulbank. In einer Gruppenarbeit sollen sie ihre Erfahrungen mit Roma-Kindern im Unterricht zusammentragen und eine Präsentation vorbereiten.

Dahinter steht das EU-Projekt INSETROM, das in Österreich vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien getragen wird. Das "Teacher In Service Training for Roma Inclusion" soll Lehrern ein Werkzeug in die Hand geben, um Roma-Schüler besser in ihrer schulischen Laufbahn zu unterstützen.

Viele Lehrer hat der Lehrgang dazu motiviert, das Thema "Roma" im Unterricht verstärkt anzusprechen und sich dabei selbst in der Thematik weiterzubilden. Einige haben das Thema nicht explizit angesprochen, es aber immer wieder einfließen lassen. In jedem Fall hat die Fortbildung geholfen, an den eigenen Vorurteilen zu arbeiten.

Weitere Forschung notwendig

Die Nachhaltigkeit von INSETROM hängt davon ab, ob es gelingt, die Schulungen in der regulären Ausbildung der Lehrer zu verankern. Denn an freiwilligen Projekten wie diesen beteiligen sich meist ohnehin am Thema interessierte und engagierte Lehrer.

Mikael Luciak sieht im Engagement gegen die Diskriminierung von Roma vor allem dort Forschungsbedarf, wo unklar bleibt, ob erreichte schulische Erfolge auch tatsächlich zu einer Verbesserung der Lebenssituation führen. "Damit auch Roma-Angehörige den Glauben schöpfen können: Ja, das lohnt sich, diese Investition in Bildung. Ich werde dadurch auch wirklich gesellschaftlich Aufstieg haben", so Luciak.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 2. September 2009, 19:05 Uhr

Link
IAIE - INSETROM