Pro und contra Früherkennungsmaßnahmen

Früherkennungsmethoden - Teil 2

Wenn Sozialmediziner von Vorsorge oder Früherkennung sprechen, meinen sie vor allem den Lebensstil, den man überdenken sollte. Geht es um Methoden zur Früherkennung von Erkrankungen, ist die Evidenz-basierte Medizin gefragt.

Die klassische Position der Sozialmedizin ist, dass Vorsorge die Menschen anregen soll, ihren Lebensstil zu überdenken, um so krankmachende Gewohnheiten zu vermeiden.

Geht es um Vorsorge-Untersuchungen, also Methoden zur Früherkennung von Erkrankungen, ist die Evidenz basierte Medizin gefragt. Das bedeutet: Die Sinnhaftigkeit von Untersuchungen sollte sich nicht auf Meinungen stützen, sondern auf wissenschaftliche Daten.

Sind Massen-Screenings, also Untersuchungen aller Menschen einer bestimmten Altersgruppe - zum Beispiel die Mammographie oder Dickdarmspiegelung - sinnvoll? Welchen Stellenwert hat die Gesunden-Untersuchung? Wie müssen Vorsorgemaßnahmen konzipiert werden, damit sie erfolgsversprechend sind? Obwohl die Datenlage nicht immer klar ist, halten viele Ärztinnen und Ärzte Screening-Programme für eine gute Methode, um Krankheiten "rechtzeitig" zu behandeln.

Die sozialmedizinische Sichtweise

Menschen sollen mit Vorsorgeprogrammen zu einem bewussteren Umgang mit ihrem Körper angeregt werden und damit selbst Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen. Das Wichtigste ist dabei das Gespräch zwischen der Ärztin oder dem Arzt und der Patientin oder dem Patienten.

Medizinern und Medizinerinnen wird damit die Rolle des Lebensstil-Beraters zugedacht. Ein gutes Beispiel für ein solche Vorsorgeprogramm ist die Österreichische "Gesundenuntersuchung neu", sind sich Sozialmediziner, also "Public Health Mediziner", wie auch Gesundheitsminister Alois Stöger einig. Das einzige Manko sei, dass dieses Angebot von den falschen Personen in Anspruch genommen wird.

Denn zum jährlichen Gesundheitscheck gehen überwiegend gesundheitsbewusste Menschen, die nicht rauchen, auf ihr Gewicht achten, nicht übermäßig trinken und sich gerne in der freien Natur bewegen. So lassen sich diese "gesunden" Personen sozusagen ihr "Gesundsein" durch den Gesundheits-Check bestätigen. Damit verfehlt dieses Vorsorgeprogramm sein Ziel, Menschen zu erreichen, die durch die Änderung ihrer Lebensgewohnheiten eventuell ihr Leben verlängern könnten.

Vorsorge aus der Sicht der Evidenz-basierten Medizin

"Alle Screening-Früherkennungsprogramme schaden; manche können auch nützen", meinte der Doyen der Vorsorge-Untersuchungen, der Engländer Prof. Dr. Muir Gray bereits vor über zehn Jahren. Dennoch haben Früherkennungsmaßnahmen in fast allen Teilen der Bevölkerung, auch innerhalb der Ärzteschaft, ungebrochen einen guten Ruf - allerdings nicht immer zu Recht. Das hat laut Evidenz basierter Medizin mit den Besonderheiten der jeweiligen Untersuchungsmethode zu tun.

Denn ein Screening-Programm ohne falsch positive Befunde (der Befund zeigt eine Erkrankung an, die nicht existiert) übersieht zu viele Fälle, um wirksam zu sein. Ein Screening-Programm ohne falsch negative Befunde (der Befund zeigt keine Erkrankung an, obwohl sie vorhanden ist) verursacht zu großen Schaden an der gesunden Bevölkerung. Diese Fakten mögen zwar für eine Gesamtpopulation eher bedeutungslos sein. Ein einziger falsch positiver Befund kann für das Individuum jedoch verheerende Folgen haben.

Welche Früherkennung ist sinnvoll?

In Deutschland wird die Diskussion über den Wert von Früherkennung schon seit etwa zehn Jahren geführt. Dabei wurde eines rasch klar: Die Krebs-Früherkennungsmaßnahmen sind nicht so wirksam, wie meist dargestellt und von den meisten Menschen angenommen. So muss man zum Beispiel 2.000 Frauen zehn Jahre lang jährlich einer Mammographie unterziehen, um eine zu retten.

Mit anderen Worten, eine Frau, die regelmäßig zur Mammographie geht, senkt ihr persönliches Risiko an Brustkrebs zu sterben um 0,2 Prozent. Aktuell werden in Deutschland als Massen-Screening die Früherkennung von Brust-, Darm-, und Gebärmutterhalskrebs angeboten und von den Krankenkassen bezahlt.

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  • Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie längere Zeit nicht bei der Mammographie waren oder beim Gynäkologen einen Abstrich haben machen lassen?
  • Hatten Sie jemals einen falschen Krebs-Befund?
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Hör-Tipp
Radiodoktor, Montag, 7. September 2009, 14:20 Uhr