Vom Wunderkind zum Inselbewohner
Sir Peter Maxwell Davies ist 75
Der bedeutende britische Symphoniker und Opernkomponist Sir Peter Maxwell Davies feiert seinen 75. Geburtstag: Avantgardistisch und mittelalterlich, konfessionslos und religiös, "enfant terrible" und "Master of the Queen's Music".
8. April 2017, 21:58
Aus "An Orkney Wedding"
"Max" ist das alles: "enfant terrible" des britischen Musiklebens der 1960er Jahre - heute von Königin Elisabeth ernannter "Master of the Queen's Music". Führender britischer Symphoniker seiner Zeit - Opernkomponist - ein ganz "Heutiger", den aber Gregorianik und englische Renaissance-Musik noch mehr geprägt haben als Stockhausen und Nono.
Openly gay auf den Orkney Islands fern der Zivilisation - aber einer der ersten Musiker mit eigener Homepage und seinem ganzen Oeuvre aus 75 Jahren dort zum Download. Arrangeur der Musical-Musik zum Ken-Russell-Film "Boyfriend" - 1987 in den Adelsstand versetzt.
Wild und "mittelalterlich"
Peter, dessen Eltern arm und musikalisch waren, war ein Wunderkind, der Partituren von Schönberg, Berg, Webern und den "Ulysses" von Joyce las, kaum dass er zehn war. Mit 14 trat er im BBC-Radio auf, er war bei den Darmstädter Meisterkursen, er leistete es sich, nicht zu Messiaen nach Paris zum letzten Schliff zu gehen, sondern nach Rom zu Goffredo Petrassi - geliebtes Rom! - und in die USA zu Roger Sessions. Spätestens dann konnte er alles. Wild waren seine Frühwerke - oder altertümlich, wie in die Moderne hinein wiedergeborene "mittelalterliche" Musik.
Maxwell Davies' Opernfiguren
Ein junger Komponist braucht zu essen - Maxwell Davies ging in den Schuldienst, so wie vor ihm Komponistenkollege Michael Tippett, mit dem es auch sonst viele Gemeinsamkeiten gibt, speziell im Weltanschaulichen. Der anti-autoritäre Musiklehrer Peter Maxwell Davies nahm Monteverdis "Marienvesper" als Lehrstück, und schrieb seine erste Oper "Taverner" auf Brocken aus der Lebensgeschichte des Tudor-Komponisten John Taverner, frühes 16. Jahrhundert, Zeit von Heinrich VIII.
Seinen ersten Skandal löste "Max" mit den musiktheatralischen "Eight Songs for a Mad King" aus, im "Summer of 69", Kind seiner Zeit. Es geht kaum extrem-expressionistischer, wenn der irr gewordene George III. zwischen Würde und Paranoia rotiert, zu Kammerensemble-Begleitung, wie sie von den von Maxwell Davies mitgegründeten "Pierrot-Players" kommen konnte, einer Art Londoner "Die Reihe", aus denen später die "Fires of London" wurden.
Die gequälte, in die Enge getriebene Kreatur ist noch mehrfach Thema des Opernkomponisten Peter Maxwell Davies gewesen: in "The Martyrdom of St. Magnus", in der klaustrophobischen Kammeroper "The Lighthouse", in "Resurrection", wo plärrender Pop kontra gregorianischen Choral gesetzt ist, und im Endzeit-Stück "The Doctor of Myddfai". Konfessionslos um religiöse Fragen zu kreisen: Auch das ist eine Seite von Peter Maxwell Davies.
Ein "angry young man" wird Symphoniker
Peter Maxwell Davies hat oft in seinem Leben geschockt, oft überrascht: ein "master of the unexpected". Dass gerade er, der in jungen Jahren jede Menge Protest-Kompositionen herausschleuderte, der zu jeder Art Gelegenheitsmusik bereit ist (wie den 10 "Naxos-Quartets" für das gleichnamige CD-Billiglabel), beginnen würde, Symphonien zu schreiben!
Sieben wirkliche, etliche Quasi-Symphonien sind es mittlerweile, und an den Orten und den Interpreten ihrer Uraufführungen lässt sich das Immer-prominenter-Werden des Komponisten ablesen. Alle sind sie hoch-komplexe Gebilde, jede wie ein eigener Kosmos, jeder Satz wie ein eigener Organismus, mit je vielen Abschnitten.
"Eine Art harmonische Odyssee"
Viele denken an Mahler, wenn sie Symphonien von Maxwell Davies hören: Pessimismus vermittelt sich, Kampf, Ringen um Integrität. Andere wollen Parallelen zu Sibelius erkennen, eine gewisse Unnahbarkeit ... oder auch Kälte, dieser Vergleich wird speziell verwendet, seit "Max" rund ums Jahr 2000 eine "Antarktische" Symphonie geschrieben hat. Diese Musik könnte abstrakt sein, oder auch Tonmalerei, Maxwell Davies' musikalische Beschreibung der rauen Natur auf "seinen" Orkney Islands.
Wie haben Dante und Thomas von Aquin, mit denen Maxwell Davies intellektuell Umgang pflegt, mit diesen Symphonien zu tun, wie der Architekt Brunelleschi mit ihren architektonischen Bauplänen? Der Komponist, dem es geheimnisvolle Musik aus der Vergangenheit seit jeher angetan hat (seine Bearbeitungen von unterschiedlichster Renaissance-Musik, Byrd, Palestrina, Dunstable, erzählen davon), bewahrt sein Geheimnis.
Ein Maxwell-Davies-Zitat: "Ich denke, man hört heutzutage ganz selten ein Stück, bei dem man vom Anfang bis zum Ende durch eine Art harmonische Odyssee geht, und bei dem man sein Leben bereichert fühlt, wenn man ans Ende kommt. Ich hoffe, das wird wieder eine Möglichkeit im großdimensionierten symphonischen Denken, und wenn ich ein Stück schreibe, versuche ich, zumindest Türen in diese Richtung zu öffnen."
Hör-Tipp
Zeit-Ton, Dienstag, 8. September 2009, 23:03 Uhr
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Sir Peter Maxwell Davies