Trümmergeneration

Die Frage nach der Generationengerechtigkeit

Produzieren wir heute eine Schuldenlast, die künftige Generationen erdrückt? In den westlichen Demokratien wird die Überalterung der Gesellschaft zum zentralen Problem, denn immer weniger Junge stehen einer wachsenden Zahl alter Menschen gegenüber.

In seinem Essay "Aufstand der Jungen" ruft der 24-jährige Politologe Wolfgang Gründinger zum radikalen Umdenken auf. Seine Altersgruppe: die jungen Menschen von 0 bis 25 Jahre bezeichnet Wolfgang Gründinger als Trümmergeneration. Denn kurzfristiges Profitdenken habe ökologische und ökonomische Probleme geschaffen, die für alle Menschen existenzbedrohend werden. Dazu gehört, dass der Generationenvertrag sukzessive aufgekündigt wird, und zwar mit dem Argument des demographischen Wandels.

"Die Gesellschaft wird immer älter. Die Rentensysteme und Gesundheitssysteme im Umlageverfahren scheinen nicht finanzierbar. Doch es ist nicht wichtig, wie alt eine Gesellschaft ist, sondern wie die Ressourcen verteilt werden. Wenn wir mehr in Produktivität und Forschung investieren, dann können wir den demographischen Wandel spielend meistern", meint Wolfgang Gründinger.

Einkommensschere wird größer

Wolfgang Gründinger ist Mitglied des Think Tank 30 des Club of Rome, einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Zukunftsfragen zu stellen - und Lösungsansätze anzubieten.

Was unsere Gesellschaft bedroht, ist eine neue Armut. Im Brennpunkt des Konflikts stehen die Jungen. Denn ihnen werden soziale Sicherheiten schrittweise aufgekündigt. Die Folgen davon sind soziale Konflikte und steigende Kriminalität.

Diese Prognose teilt auch der Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt. In einer Europaweiten Studie, die von der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen mit zehn Teams in zehn europäischen Ländern durchgeführt wurde, haben die Wissenschaftler ermittelt, dass sich die Einkommensschere in den kommenden 20 Jahren erheblich vergrößern wird.

Wenige Jungwähler

Der demographische Wandel hat nicht nur ökonomische und soziale Folgen, er bringt auch politische Veränderungen mit sich, erklärt der Leiter des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wolfgang Lutz. Denn der Anteil der älteren und alten Menschen wächst. Heute sind bereits ein Drittel der Wahlberechtigten in Österreich über 60 Jahre alt. Und Politiker hoffieren diese Wählerschicht mit werbewirksamen Versprechungen. Die Anliegen der Jungen bleiben immer mehr auf der Strecke.

Niedriges Einkommen, prekäre Arbeitsverhältnisse und eine schlechte soziale Absicherung führen aber dazu, dass sich viele junge Menschen nicht dazu entschließen können, eine Familie zu gründen. Denn die finanzielle Sicherheit ist einer der wichtigsten Faktoren, der für die Geburtenrate in einer Gesellschaft ausschlaggebend ist.

Demokratien als Dauerreparaturwerkstatt

Generationen zeichnen sich durch ihre unterschiedlichen Perspektiven aus, die sie auf gesellschaftliche Fragen entwickeln. Die Generationenbildung wird dann zum Konflikt, wenn sie das normative Selbstverständnis einer Gesellschaft berührt, sagt Beate Fietze, Soziologin an der Humbolt Universität zu Berlin.

Aktuelle Beispiele sind die Chinesische Studentenbewegung oder die Protestbewegung im Iran. Denn: Wenn sich eine Gesellschaft verändert hat, ihre alten Spielregeln aber beibehält, führt das zur Konfrontation zwischen Alt und Jung. Im Umgang mit diesem Konflikt unterscheiden sich demokratische Gesellschaften von totalitären Regimen.

"Diktaturen betrachten jede Veränderung als Bedrohung. Das führt zur offenen Konfrontation. Demokratische Gesellschaften haben institutionelle Formen der Konfliktaustragung entwickelt. Hier befinden wir uns in einer Art Dauerreparaturwerkstatt", meint Beate Fietze.

Die Diskussion um die Generationengerechtigkeit bietet gesellschaftlich eine große Chance. Denn quer über alle politische und soziale Vielfalt hinweg schafft dieser Diskurs eine Verbindung. Im Zentrum steht die Frage, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 14. September bis Donnerstag, 17. September 2009, 9:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Radiokolleg zum Mitreden: Alt gegen Jung?, Donnerstag, 17. September 2009, 19:30 Uhr, ORF KulturCafe

Links
Think Tank 30 des Club of Rome
Institut für Demographie Wien