Akademischer Auftakt

Quilibet, qualibet oder quodlibet

Vielfältig wird der Begriff Quodlibet in Musik und Theater verwendet, doch stets geht es um unterhaltende Inhalte, ob es sich jetzt um Text- oder Melodiefragmente und deren Mischung handelt, um Wortspiele, Trinksprüche oder karikierende Elemente.

Die Anwendung des Begriffes Quodlibet hat sich über die Jahrhunderte verändert, wobei der Beginn mit den öffentlich zugänglichen Disputationes de quodlibet, die an der Pariser Sorbonne schon im Hochmittelalter (13. Jahrhundert) abgehalten wurden, doch eher seriös war. Damals hatte das zwar weder mit Theater noch mit Musik zu tun; allerdings mit der Kombination von Einzelteilen in unterschiedlichen und vor allem neuen Zusammenhängen, also sozusagen ein Spiel mit Versatzstücken beziehungsweise mit um- oder neu interpretierten (Text-)Bestandteilen.

Und da kommen wir der Funktion in Musik und Theater schon wieder näher. Der ernsthafte Charakter der französischen "Disputationes", der sich lehrhaft auf alle Wissenschaftsbereiche ausdehnte, änderte sich im Laufe der Zeit. Und als sich der Brauch in deutschen Universitäten einbürgerte, wurden sogar ungezwungene Scherzdisputationen daraus.

Sinnloses Geschwätz

Ein deutscher "Dictionarius" von 1571 definiert Quodlibet als "ein zusammengeklaubt' Ding", ein "Durcheinandermischmasch", ein "Galimathias". Dieser Begriff - latein-griechischen Ursprungs, der sich aus den Worten "Hahn" und "Wissen" zusammensetzt - wurde meist dann verwendet, wenn sinnloses Gerede gemeint war, wie Jahrhunderte später Thomas Mann im "Zauberberg" schreibt, "zusammenhangloses Geschwätz". Und wenn man über eine "verkehrte Welt" sprach, dann sagte man im 16. Jahrhundert auch "quodlibetische Welt" dazu, denn darin musste "alles umgekehrt" sein.

Büchermischmasch

Man sieht schon, auch fern der Bühne haftet dem Begriff etwas Theatralisches an. Eingedeutscht wird er meist dort verwendet, wo eine beliebige Vielfalt ausgedrückt werden soll. So findet sich etwa im Verzeichnis der "Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel" in einer "classis quodlibetici" der Begriff "Libri quodlibetici", was wohl so etwas wie Büchermischmasch bedeuten soll, im Gegensatz zu den eindeutig klassifizierbaren "Libri medici" oder "Libri physici".

Ohrenvergnügendes Konfekt

Das im Lateinwörterbuch nicht auffindbare Substantiv Quodlibeticum wurde im Barock gerne für satirische Gesänge verwendet, wie in dem "ohren-vergnügenden und gemüthes-ergötzenden" Augsburgischen Tafelkonfekt von Valentin Rathgeber, ergänzt von Johann Caspar Seyfert, wo es recht derb zugeht. Dem Benediktinermönch Rathgeber glückte ein musikalisch-drastischer Griff ins volle Menschenleben. Allerdings erst als er sich für neun Jahre unerlaubt aus dem Kloster entfernte und seine Sammlung volkstümlicher und satirischer Gesänge nur anonym veröffentlichte.

Unter den zahlreichen Figuren, die darin auftreten sind Bürger, Bauern, Bettler, Marktschreier, "Drey Sauff-Brüder" und auch ein Politicus, der im Refrain wiederholt: "Ja, Ja, ja, ich sage wahr", worauf ihn die Gegner, "ein falsch verstellter arger Dieb" nennen, "der sein Beutel wacker spickt." Und Rathgebers "Quodlibeticum curiosum" verläuft ungefähr wie ein Stündchen aus dem Gelage fröhlicher Studenten, von denen einer nach dem andern etwas Spaßhaftes zum Besten gibt. Musikalisch benützt er vielfältige Formen, mischt Volkstümliches und Kunstfertiges und erweist sich so als eine Art Urahn der deutschen komischen Oper.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 21. September 2009, 10:05 Uhr