Bausteintechnik
Zur 50. Wiederkehr von Hauers Todestag
Josef Matthias Hauer und der Kampf um die Findung oder Erfindung der Zwölftonmusik ist bekannt. Weniger bekannt ist die Wucht, die Hauers Ideen auf die Musikwelt ausübten. Sein "Nomos" von 1919 gilt als die erste Zwölftonkomposition.
8. April 2017, 21:58
Vor 50 Jahren starb Josef Matthias Hauer. Sein Wert ist in der Höhe Schönbergs - was die Autographen betrifft. Bekannt ist der Kampf um die Findung oder Erfindung der Zwölftonmusik mit Arnold Schönberg - den die beiden, wie Joachim Deiderichs, Autor und Herausgeber von Hauer-Schriften, sagt, mehr vor ihren Schülern und Schülerinnen als miteinander austrugen. Weniger bekannt ist die "Wucht, die Hauers Ideen auf die Musikwelt ausübten".
Baustein-Idee
"Sehr bald hatte ich nun auch erfasst, dass die 'Bausteine mit allen zwölf Tönen des Zirkels' die eigentlich formgebenden, die musikalisch ergiebigsten sind", so Hauer, der 1912 damit begonnen hatte, aus seinem Prinzip der "Bausteintechnik" eine eigene Form von Zwölftonmusik zu entwickeln.
Sein "Nomos" Op. 19 von 1919 gilt als die erste Zwölftonkomposition. Die Gründungsversammlung der IGNM im Jahr 1922 war wesentlich inspiriert von Hauers Ideen. Joachim Diederichs sieht in Rudolf Retis Gründungsmanifest der IGNM viel von Hauers Ideen.
Reti schrieb 1922:
In keiner geistigen Sphäre tritt die Revolution unserer Tage aufwühlender, elementarer in Erscheinung als in der Musik. Und wenn diejenigen recht haben, die in gewissen Strömungen jüngster Malerei und Literatur das Lebendigwerden musikalischer Phänomene erkennen wollen, so wäre die Musik des Neuen eigentlichste Domäne.
Man hört Hauers Worte, wenn Reti schreibt:
In einer Zeit, in der dieses Leben täglich zu sterben droht, da das Gespenst des inneren Untergangs, des Zurücksinkens zum Tier, zur Pflanze, zur Materie, wie die Last einer grauenvollen Heimatlosigkeit sich über die Menschheit legt, gibt es doch in immer weiteren Zonen Männer, die singen, denen Klang, also Entmechanisierung, Reinheit, wesentliche Daseinsfunktion ist. Haltet, klammert euch an sie, vielleicht können sie uns noch retten.
Ein Leben als Zwölftonspiel
Hauer, der am Ende seines Lebens sagte, er hatte sein ganzes Leben das Zwölftonspiel komponiert, wollte seine Musik "im Träumen des Geistes" gehört haben. Seine eigenen Anweisungen fand er "eher irreführend als belehrend"; "Die Hauptursachen habe ich immer verschwiegen."
Mäzeninnen
Alma Mahler war die erste, die Hauer förderte, auch wenn sie dann - wie Joachim Diederichs sagt - ausschließlich Schönberg die Ehre angedeihen lassen wollte. Es war die Familie Köchert, Frau Gertrud, die Hauer unterstützte. Der Schreibtisch, an dem er schrieb und an dem vor ihm Hugo Wolf gesessen hatte, wird noch in der Familie bewahrt.
Ninon Ausländer, verheiratete Dolbin und Hesse, brachte Hauer mit ihrem Ehemann zusammen. Eugenie Schwarzwald, die Begründerin der nach ihr benannten Schule, war eine der Mäzeninnen Hauers; Anna Höllering, Widmungsträgerin eines Klavierstücks, war nicht nur Malerin und Schauspielerin, sie war auch eine der ersten Filmcutterinnen. Höllering studierte bei Joannes Itten, der einer der Denker aus dem Kreis um Hauer war. Vieles um Hauer ist noch zu erforschen und herauszugeben.
Hauer heute
Was bleibt von Hauer, außer dem nach ihm benannten Platz im 8. Wiener Gemeindebezirk? Karl Prantl, der Bildhauer, widmete dem Komponisten einen Stein in Sankt Margarethen im Burgenland. Hauer ist ein literarisches Denkmal gesetzt in Hermann Hesses "Glasperlenspiel". In Werfels Roman "Verdi" mag die Zeichnung des Mathias Fischböck ihr Vorbild in Hauer haben.
Der österreichische Schriftsteller Otto Stoessl widmete dem Komponisten seinen Roman "Sonnenmelodie". Hauer ist nach wie vor inspirierend. Die Wien Bibliothek widmet Hauer eine Ausstellung in der Räumen der Musiksammlung; zur Eröffnung am 22. September trat Franz Koglmann mit seinem Pipe Trio und Julian Schutting auf. Gespielt wurden - ganz nach Hauers Wunsch - "Traumsequenzen".
Hör-Tipp
Aus dem Konzertsaal, Mittwoch 23. Juni, 19:30 Uhr
Ausstellungs-Tipp
Objekt des Monats September: Melischer Entwurf zum Zwölftonspiel für fünf Violinen, Wien Bibliothek, Musiksammlung
Buch-Tipp
Österreichische Musikzeitschrift 8-9/2000
DVD-Tipp
Josef Matthias Hauer, "Schriften Manifeste Dokumente", Verlag Lafite (DVD-ROM)