Die Pianistin Elisabeth Leonskaja
Die Stille ist etwas Wunderbares
Sie ist eine Pianistin von Weltruhm und lebt seit mehr als 30 Jahren in Wien: Elisabeth Leonskaja, 1945 als Tochter russischer Eltern in Tiflis geboren, galt schon früh als Wunderkind. Heute gehört sie zu den großen gefeierten Pianistinnen unserer Zeit.
8. April 2017, 21:58
Ausreise aus Russland und Ankunft in Wien
Lebensfreude kann wohltuend sein. Man spürt es, bei der ersten Begegnung, beim Betreten einer Wohnung - da ist jemand, der mit "offenem Herzen" ins Leben hineingeht, der noch nicht verlernt hat, sich zu freuen. Als "Grande Dame des Klaviers", als "grandiose Ton-Architektin", als "Tasten-Löwin" wird Elisabeth Leonskaja von der Kritik gefeiert.
Sehnsucht nach Stille
"Wenn man immer in der Klangwelt zu Hause ist, dann freut man sich oft ganz besonders auf die Stille. Die Stille ist etwas Wunderbares", sagt Elisabeth Leonskaja. Sie wundert sich, dass sich viele vor der Stille zu fürchten scheinen - weshalb sollte sonst ständig und überall Hintergrundmusik, Hintergrundlärm zu hören sein?
Neben ihrer Wohnung in Wien hat sie auch ein Haus auf dem Land, ein Refugium, in das sie sich gern zurückzieht, wenn die Sehnsucht nach der Stille, auch nach der Stille in der Natur, wieder einmal zu groß wird.
"Dieses Kind wird sehr berühmt"
Am 23. November 1945 wid Elisabeth Leonskaja in Tiflis in Georgien geboren. Eine Wahrsagerin prophezeit: "Dieses Kind wird sehr berühmt werden." Sie sollte Recht behalten. Elisabeth Leonskaja hat diese Geschichte als Kind oft gehört, und dennoch sei sie immer noch davon berührt, wenn sie heute daran denke, sagt sie.
An die frühen Kinderjahre in Tiflis erinnert sie sich gern - der Krieg war vorbei, die Leute wollten wieder bessere Zeiten erleben. Die Eltern haben gearbeitet, jeder Job war willkommen, auch um den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Bei der kleinen Elisabeth stand die Begabung schon früh fest: Sie sollte Musikerin werden.
Sechs Stunden täglich üben, Unterricht in der Musikschule, eine strenge Klavierlehrerin - das klingt nach einer Kindheit, in der wenig Platz für anderes bleibt außer für Musik. "Ich habe als Kind nichts vermisst", sagt sie jedoch, "da gab es genug Freiraum."
Hohe Ansprüche
"Ab 1964: Studium am Moskauer Konservatorium", steht in biografischen Angaben zu Elisabeth Leonskaja zu lesen. Berühmte Männer unterrichten am Konservatorium, von den jungen Musikerinnen und Musikern wird viel erwartet, dazu gehört auch die Teilnehme an internationalen Wettbewerben.
Die junge Pianistin gewinnt internationale Wettbewerbe in Bukarest, Brüssel und Paris, sie hat bei ihrer Ausbildung in Moskau die Möglichkeit, mit namhaften Komponisten und Solisten zusammenzuarbeiten. "Das Niveau war hoch - und die Ansprüche auch", sagt sie.
Erste Konzerte in Wien
Im Jahr 1978 verließ Elisabeth Leonskaja die Sowjetunion. Österreich wurde zur neuen Heimat, Wien wurde - nach Jahren in Moskau - zum neuen Lebensmittelpunkt. Seit über 30 Jahren lebt sie nun in dieser Stadt, deren Musikleben, deren Kulturangebot sie bis heute zu schätzen weiß. Die Musik hat geholfen, damals, beim Neuanfang in Österreich.
In Wien gab es gleich nach ihrer Ankunft aus der Sowjetunion die ersten umjubelten Konzerte, in Salzburg leitete sie sofort erste Meisterkurse, sie feierte als Solistin erste Erfolge bei den Salzburger Festspielen.
Liebe zu Kammermusik
Elisabeth Leonskaja ist als Pianistin in der ganzen Welt gefragt, sie ist viel auf Reisen. Die Liste der renommierten Dirigenten und Orchester, mit denen sie zusammengearbeitet hat, ist lang, auf zahlreichen CD-Produktionen ist ihre Virtuosität dokumentiert.
Bei aller solistischen Tätigkeit hat auch die Kammermusik einen besonderen Platz im musikalischen Schaffen von Elisabeth Leonskaja, das zeigen Konzerte mit dem Borodin-Quartett, dem Artemis-Quartett oder dem Alban-Berg-Quartett.
Musik als Lebensaufgabe
"Was ist eigentlich meine Musik? Ich versuche, dem ständig sich verändernden Schatten meiner Gedanken zu folgen" zitiert Elisabeth Leonskaja einen Ausspruch Chopins. In den Noten stehe alles drin, habe sie beim Studium immer gehört-, nur, "man braucht wohl ein ganzes Leben, um das zu lernen".
Wenn sie nicht auf Reisen ist, verbringt sie viele Stunden am Klavier. "Ich lerne langsam", sagt Elisabeth Leonskaja. "Das Schwierigste ist freilich, überhaupt ans Klavier zu kommen." Man muss nicht immer am Klavier sitzen, um Klavier zu üben. "Es spielt sich", sagt Elisabeth Leonskaja über dieses Eintauchen in die Musik, das sie immer wieder als Geschenk erlebt.
Ein Leben ganz im Zeichen der Musik. Das Reisen mache ihr nichts aus, sagt Elisabeth Leonskaja. Die Vielseitigkeit ihres Repertoires beeindruckt, und doch schwingt da auch ein wenig Bedauern mit. "Die Musik ist wohl meine Lebensaufgabe", sagt sie zum Abschluss.
Mehr zu Elisabeth Leonskaja in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 27. September 2009, 14:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Übersicht
- Klassik