Wenig Distanz zum Helden

Schubart

"Der unbürgerliche Bürger" heißt ein Buch über Christian Friedrich Daniel Schubart von Bernd Jürgen Warneken. Schubart war Musiker, Dichter und Journalist. Er war der Textdichter der Schubert'schen "Forelle" und war eine beeindruckende Erscheinung.

Christian Friedrich Daniel Schubart, Musiker, Dichter und Journalist, geboren vor 270 Jahren, ist wahrscheinlich in seiner süddeutschen Heimat bekannter als bei uns, wo einem auch nicht sofort einfällt, dass er den Text zur Schubert'schen "Forelle" geschrieben hat.

Somit setzt man einige Erwartung in Bernd Jürgen Warneken, einen Professor für Empirische Kulturwissenschaften, der das Buch "Schubart, der unbürgerliche Bürger" herausgegeben hat.

Anthologie und Biografie verbunden

Warneken meint, dass eine Biografie keine vergangenen Wirklichkeiten abbilden, sondern sich ihnen bestenfalls annähern kann. Und so verbindet er Anthologie und Biografie, er integriert "Originaltexte in eine nach Themen geordnete Darstellung, die zugleich dem Schubart'schen Lebenslauf folgt". Was aber heißt, dass er seitenlang aus Texten Schubarts zitiert und damit nicht wirklich fesselt, denn es ist schon ein wenig mühsam, sich mit einem Deutsch auseinander zu setzen, das vor 250 Jahren geschrieben worden ist.

Dazu kommt, dass der Professor aus Tübingen viel zu wenig Distanz zu seinem Helden hat. Ein Allroundgenie führt er vor, einen beeindruckenden Pianisten und Rezitator, einen trinkfesten und liebesfreudigen Mann, der auch durch seine geistige "Schnellkraft" verblüfft. Wenn von den Liebeleien des Alternden die Rede ist, dann zeigt das an, "dass er trotz der psychischen und physischen Strapazen der Einzelhaft ein attraktiver Mann geblieben ist... dass der virtuose, wirkmächtige Schubart, der sofort zum Mittelpunkt einer Gesellschaft wird, noch lebt." Kritisches über Schubart vernimmt man meist nur dann, wenn Warneken dessen Sohn zitiert.

Ästhetik der Tonkunst

Andrerseits ist es aber auch bemerkenswert, was dieser Mann alles geleistet hat: Er schrieb eine Unzahl von Gedichten und Balladen und eine Bestenliste deutscher Dichter. Durch mehrere Jahre hindurch gab er eine zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung heraus. In einer Ästhetik der Tonkunst ordnete er den verschiedenen Tonarten verschiedene Seelenverfassungen zu und Beethoven stimmte ihm insofern zu, als dass er meinte, dass jede Tonart ihre eigene Stimmungssphäre habe.

Dazwischen musizierte er am Klavier ("zeigte eine besondere Geschicklichkeit im Triller") phantasierte an der Orgel, trat als Gesangssolist auf, spielte an einem Abend ein eigenes Klavierkonzert sowie eigene Klaviervariationen und dirigierte mehrere Sinfonien.

Donnernde Stimme

Lange, lange konnte er an einem Instrument improvisieren, nur, anschließend festhalten, aufschreiben, dazu war er dann nicht mehr im Stande. Er hatte es einfach vergessen. Ähnlich war es, wenn er sich durch seine eigene Rede - er verfügte über eine zu eindrucksvollem Donnern fähige Stimme - wenn er sich also dadurch selbst in eine Begeisterung hinein versetzte; im ruhigen Zustand wusste er von all dem nichts mehr und ärgerte sich darüber, dass er nicht so wortgewaltig hat schreiben können. Mit all dem noch nicht ausgelastet, erfreute er sich der Zuneigung - wie weit auch immer die ging - vieler Frauen, trank unmäßig und nützte seine Zeit in der Einzelhaft, um dem Zellennachbarn seine Lebensgeschichte zu diktieren.

Ja, Einzelhaft. Schubart wurde von Herzog Karl Eugen, jenem württembergischen absolutistischen "Schwabenkönig", gegen den auch Schiller rebelliert hat, zehn Jahre ohne Angabe von Gründen in der Festung Hohenasperg eingesperrt. Über diese Gründe kann auch Warneken nur mutmaßen.

Eine zwiespältige Figur

Was er aber sehr gut herausarbeitet, ist, dass Schubart eine zwiespältige Figur war, kein Revolutionär, aber ein lauter Untertan, sehr oft mit verschiedenen Zungen redete, dass er einerseits Aufrührer war, andrerseits aber auch Pragmatiker, Meister im Lavieren, natürlich auch, um der Zensur zu entgehen.

Nur, diese Frage sei gestattet, was soll heutzutage die nur in Maßen kritische Biographie eines Mannes, der vor 270 Jahren geboren worden ist, der zu "germanischen Tugenden aufrief, von germanischem Heldenmut begeistert war", was immer das in der damaligen Zeit - immerhin die, der französischen Revolution - hieß. Und, der in einem Gedicht mit dem Titel "Der Patriarch" schrieb: "Das Tändeln, Schreiben, Lesen macht Mädchen widerlich"?

Hör-Tipp
Apropos Musik. Das Magazin, Sonntag, 4. Oktober 2009, 15:06 Uhr

Buch-Tipp
Bernd Jürgen Warneken, "Schubart. Der unbürgerliche Bürger", Die andere Bibliothek im Eichborn Verlag