Ein Indefinitpronomen auf der Bühne

Equal Pay Day im Kasperltheater

Unlängst hat mir jemand erklärt: Diese Kolumnen, die du da schreibst. Wenn die zu emotional werden und du das, was du schreibst, auch noch ernst meinst, irgendwie sind die öd. Sowas wie damals mit dem Futlapperl, sowas musst schreiben.

Zuerst bin ich ein wenig beleidigt, dann gehe ich selbstverständlich in mich und überlege. Die Überlegungen haben aber keine großartigen Ahas zur Folge. Mir ist noch immer nicht klar, warum sich das Niveau eines Textes durch Erwähnung eines Genitals heben soll. Vielleicht gibt die hohe Auflage den stilistisch Feinheiten und der journalistischen Brillanz dem Sexmagazin "ÖKM" auch Recht. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass Pfui-Wörter, öffentlich gemacht, zu einer boah-mutig-boah-hoho-Reaktion führen dürften. Die liest man offenbar gern.

Man.

Das Wort, das sich so schwer umschreiben lässt und – wenn man es sich näher anschaut die Nackenhaare aufstellen lässt (ja, boah nur die Nackenhaare). Dann gibt man dem Kind die Brust, hat man Schwangerschaftsübelkeit und verdient man sein Geld als Friseurin.

Wer zufällig am Wochenende einer Vorstellung des Wiener Praterkasperls beiwohnen durfte, konnte miterleben wie man eine aktuelle Kasperliade auf die Bühne brachte.

Da hatte die Gretel es satt, immer nur im Haus zu sitzen und Zwetschgenkuchen zu backen. Raus wollte sie und Hexen und Teufel und Krokodile erledigen und dann den ganzen Ruhm einheimsen und fremden Zwetschgenkuchen essen. Der gute Kasperl war völlig d'accord und stellte sich brav in die Küche.

Wir brauchen ein Kasperltheater, damit das reale Drama Zuschauer findet. Man verdient nämlich nach wie vor weit besser als frau. Und das Üble dran: Kein Schwein, und noch schlimmer, keine Sau regt das auf.

Am 5. Oktober ist in Wien Equal Pay Day. Das bedeutet: Frauen, die Vollzeit arbeiten, arbeiten ab diesem Tag quasi gratis. Heißt weiter: Die Einkommensunterschiede zwischen man und frau sind nach wie vor so groß, dass Frauen mehr arbeiten müssen, um dasselbe wie Männer zu verdienen. Wien schneidet dabei noch gut ab, die Vorarlbergerinnen arbeiten schon seit 1. September gratis, der österreichische Kleinste-Nenner-Tag war der 27. September.

Warum ist das so? Weil in weniger gut bezahlten Jobs gearbeitet wird, weil Frauen eine Berufspause einlegen, wenn Kinder kommen, weil die Kinderbetreuungseinrichtungen nicht optimal zugeschnitten sind. Und weil wir deppert sind. Männern haushalterische Dinge freundlich lächelnd abnehmen, wissen, wann die Milch im Kühlschrank abläuft, dass seine Tante Gerti nächste Woche Geburtstag hat und ihr auch ein Geschenk besorgen. Anstatt: gescheite Artikel lesen, Kindergeburtstage vom Mann ausrichten lassen oder mit Kolleginnen und Kollegen essen gehen und uns am Laufenden zu halten.

Die Gretel hat den Kasperl am Ende übrigens vor einem Schicksal als Zwetschgenkuchen bewahrt und die Welt gerettet.