Crossover vergangener Tage
Mario Lanza
Als der am 31. Jänner 1921 in New York als Alfredo Cocozza geborene Medienstar Mario Lanza im Oktober 1959 in Rom mit 38 Jahren starb, ging allzu früh ein Leben zu Ende, das auf tragische Weise einer geradezu unglaublichen Berg- und Talfahrt glich.
8. April 2017, 21:58
Arie des Herzogs aus "Rigoletto"
Andrea Bocelli oder Helmut Lotti, die bereits Geschichte gewordenen "Drei Tenöre", "Die drei jungen Tenöre", "Die drei Bässe" bis hin zu André Rieu: Der Grat zwischen Kunst und Kommerz ist äußerst schmal, heute wie in vergangenen Zeiten. Trotzdem sollte hier Toleranz angesagt sein, für Polemiken gibt es in unserem Kunstbetrieb weitaus verdientere Angriffsziele.
Was wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht alles gegen Mario Lanza geschrieben und polemisiert, vor allem seit er es gewagt hatte, im Film sein großes Idol Enrico Caruso wieder zum Leben zu erwecken, und damit weltweit sensationellen Erfolg zu ernten, vor allem auch kommerziell.
Kritiker-Neid
Ein bisschen Neid schwang da bei vielen seiner Kritiker ebenfalls mit, bei so vielen, meist selbst ernannten Fachleuten, die in der Person von Mario Lanza gleich das Ende seriöser Gesangskunst gekommen sahen. Mangelnder musikalischer Geschmack wurde ihm da vorgeworfen, Selbstüberschätzung, fehlende Würde und Demut, und obendrein wurden seine zweifellos vorhandenen menschlichen Schwächen und Defizite mutwillig mit seinen künstlerischen Darbietungen in einen Topfgeworfen.
Reiches Erbe
Heute, ein halbes Jahrhundert nach seinem tragisch frühen Tod mit nur 38 Jahren, zählt nur mehr das hinterlassene Erbe: unzählige Schallplatten, einige Filme sowie gerade in letzter Zeit aufgetauchte Mitschnitte, die belegen, dass Mario Lanza das Zeug gehabt hätte, einer der größten Tenöre seiner Zeit zu werden.
Sein unsteter Charakter stand ihm da im Wege, eine Handvoll von Aufnahmen aber sichert ihm durchaus einen Platz neben den Bedeutendsten seines Faches.
Arbeiterkind aus Philadelphia
Geboren wurde Mario Lanza am 31. Jänner 1921 in Philadelphia, also ausgerechnet im Todesjahr Carusos. Er war das Kind italienischer Einwanderer, entstammte einer Arbeiterfamilie und hieß mit richtigem Namen Alfredo Cocozza. Sein beruflicher Werdegang war ziemlich vielseitig, zuerst hat er in der Gemüsehandlung seines Großvaters gearbeitet, später auch als Lastwagenfahrer und Möbelpacker, nebenbei gesungen - für seine Freunde, rein zum Vergnügen - aber hat er immer schon, und bei einem solchen Anlass wurde ein Konzertmanager auf ihn aufmerksam.
Man arrangierte eine Treffen mit dem arrivierten Dirigenten Sergej Kussevitzky, dem Begründer des Tanglewood-Sommerfestivals und des ebenfalls dort angesiedelten Berkshire-Music-Centers, in dem jungen Künstlern die Möglichkeit geboten wurde, mit namhaften Gastlehrern entsprechende Erfahrungen zu sammeln.
Ein neuer Name
Kussevitzky war von der Stimme des jungen Alfredo Cocozza, der erst kurz davor bei einer Opernsängerin ersten Unterricht bekommen hatte, sofort begeistert, er ermöglichte ihm sogar ein Bühnendebüt in Tanglewood - als Fenton in Nicolais "Lustigen Weibern von Windsor" - und nicht zuletzt auch eine intensive Zusammenarbeit mit einem anderen jungen und hochbegabten Musiker, nämlich mit keinem geringeren als Leonard Bernstein. Und schließlich hat Koussevitzky ihm geraten, seinen Namen zu ändern, was er in Anlehnung an den Mädchennamen seiner Mutter Maria Lanza auch getan hat - eben in Mario Lanza.
Bei Giglis Lehrer
Der Erfolg des Debüts in Tanglewood muss wirklich außerordentlich gewesen sein, denn immerhin hat ihm bereits damals, 1942, RCA sofort einen Vertrag angeboten, noch dazu mit einer Klausel, Aufnahmen erst nach vier Jahren und weiterer Ausbildung machen zu können, doch da kam ihm zunächst einmal eine Einberufung zum Militärdienst in die Quere.
Drei Jahre dauerte dieses Intermezzo, wenn auch verbrämt mit den verschiedensten Gesangsaktivitäten, bis er endlich in dem berühmten Gesangspädagogen Enrico Rosati, dem einstigen Lehrer von Beniamino Gigli, einen adäquaten Maestro finden sollte, wenn auch nur für allzu kurze Zeit, jedenfalls viel zu wenig, um Lanzas Talent wirklich voll ausschöpfen zu können.
"Belcanto-Trio"
Bei aller Verehrung Lanzas für Rosati, lukrative Konzert und Radioangebote lockten ihn und denen konnte und wollte er nicht widerstehen. Etwa zu dieser Zeit hat Mario Lanza auch den fast gleichaltrigen George London kennengelernt, und zusammen mit ihm und der Sopranisten Frances Yeend bereisten die drei als "Belcanto-Trio" bald eine ganze Saison lang die Vereinigten Staaten, Kanada und Mexico.
Doch während Yeend und London danach der Sprung zur Opernbühne gelang, was im Grunde genommen auch immer Lanzas Traum blieb, wurde er vom Film entdeckt, kassierte traufhafte Gagen, konnte sich aber aus der Umklammerung der Platten- und Filmindustrie und ihrer PR-Maschinerie nie mehr lösen.
Größenwahn
Dazu machte ihn die plötzlich errungene Popularität zeitweilig geradezu größenwahnsinnig. Sein zwar gutmütiger, aber gleichzeitig schwacher Charakter lieferte ihn immer wieder schonungslos den oft schädlichen Einflüssen seiner Umgebung aus.
Wen wundert es da, dass oft eine Krise die andere jagte, er somit gezwungen war, allen Unkenrufen der Fachpresse, der Klatschspalten zum Trotz, sich immer wieder aufs neue zu beweisen, sich neues Publikum zu erobern, so etwa auch bei seiner einzigen Europatournee, die er am 16. Jänner 1958 in der Londoner Albert Hall zwar sehr erfolgreich startete, die er aber wenig später aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste.
Skandale bis zum Tod
Mario Lanzas so kurz bemessene Laufbahn war, neben allen von seinen Fans oft hysterisch akklamierten Erfolgen, gekennzeichnet von Skandalen, Exzessen, Sensationsberichten von überdimensionalen Ess- und Trinkgelagen, Drogen- und Frauengeschichten. Und natürlich war auch sein tragisch früher Tod mit nur 38 Jahren weltweit ein Fressen für die sensationslüsternen Gazetten.
Sein unstetes Leben hatte seinem Körper schwerste Schäden zugefügt und als er nach intensiver ärztlicher Behandlung endlich wieder Hoffnung geschöpft hatte, versagte sein Herz. Am 7. Oktober 1959 ist Mario Lanza in Rom gestorben.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 6. Oktober 2009, 15:06 Uhr
Link
Lanza Legend