Nicht Zusammenschluss, sondern Teilung

Größe ist Unheil

"Wann immer etwas falsch ist, ist es zu groß geraten", meint Leopold Kohr, Philosoph und Nationalökonom. Zur Lösung von Problemen seien große Institutionen nicht besonders geeignet, denn große Einheiten produzieren wiederum große Probleme.

Die Lösung von Leopold Kohr, Philosoph, Nationalökonom und Träger des alternativen Nobelpreises, klingt einfach: Verkleinert man die Einheiten in Politik, Wirtschaft, Erziehung, Wissenschaft und anderen Bereichen, so verkleinern sich dadurch auch die Probleme, werden überschaubar und leichter lösbar.

"Small is beautiful"

Kohr gilt ja als der Schöpfer des Slogans "Small is beautiful". Diese drei Wörter bildeten zwar den Titel eines 1973 erschienenen Buches seines Schülers und Freundes Fritz Schumacher, doch die Idee dahinter stammte eindeutig von ihm.

Kohr, der am 5. Oktober 1909 in Oberndorf bei Salzburg zur Welt kam, war bekannt als Wortführer für eine Kultur der Selbstbeschränkung und für eine Rückkehr zum menschlichen Maß. Bis zu seinem Tod im Jahr 1994 warnte er vor den problematischen Folgen der Wachstumsideologie und des Fortschrittsglaubens. Seit den 1930er Jahren wies der an verschiedenen internationalen Universitäten lehrende Philosoph und Nationalökonom darauf hin, dass im Denken der Moderne eine wichtige Perspektive vernachlässigt wurde: die Kleinheit.

Noch immer aktuell

Reinhold Wagnleitner vom Fachbereich für Geschichte an der Universität Salzburg und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates der Leopold-Kohr-Akademie, hält Kohrs Ideen nach wie vor für brisant. Hat er doch die gegenwärtige Wirtschaftskrise bereits vor Jahrzehnten vorhergesagt: "Ausgehend von seinem Werk 'Disunion Now!' 1941 bis zu seinem Buch 'Das Elend der Großen' handelt es um eine Antizipation dieser Krise. Auch wenn er in manchen Dingen keine exakten Vorhersagen treffen konnte. Aber das kann ja niemand. Außerdem hat Kohr ja nicht quantifizierend gearbeitet, aber das, wo er tendenziell hingedacht hat, ist tatsächlich eingetreten".

Größe als zentrales Problem der menschlichen Existenz

"Soziale Probleme haben die unglückliche Neigung sich im Verhältnis zum Wachstum jenes Organismus, dessen Teil sie sind, in geometrischer Reihe zu entwickeln. Während die Fähigkeit des Menschen mit ihnen fertig zu werden, nur in arithmetischer Reihe wächst. Die Probleme einer Gesellschaft, die sich über ihre optimale Größe hinaus entwickelt, wachsen also mit der Zeit rascher, als die menschliche Fähigkeit mit ihnen fertig zu werden", schreibt Kohr.

Die Größe, und nur die Größe, sei das zentrale Problem der menschlichen Existenz im sozialen wie im physischen Sinn. Moralisches, physisches und politisches Unheil sei ein Problem der Größenordnung. Die einzige Lösung liege nun darin, den Organismus, der seine natürliche Größe überschritten hat, zu reduzieren. Nicht Zusammenschluss, sondern Teilung.

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 7. Oktober 2009, 21:01 Uhr