Das Europäische Jahr der Kreativität und Innovation

Wie entsteht das "Neue"?

Das Dossier "Kreativität" vermittelt aktuelle Erkenntnisse der Kreativitätsforschung. Welche Voraussetzungen benötigt die Entfaltung schöpferischer Fähigkeiten? Wie entsteht das "Neue" im Bildungswesen, in Politik, Kultur und Gesellschaft?

Für den britischen Bildungsexperten Ken Robinson, einen der weltweit wichtigsten Kritiker des traditionellen Bildungswesens, Berater zahlreicher Regierungen und Unternehmen, ist die fortschreitende Standardisierung der größte Feind der Kreativität. Gemeint ist nicht nur die übertriebene Ausrichtung des Unterrichts auf einseitig definierte Testverfahren, sondern vor allem ein zu eng gefasstes Verständnis von Intelligenz.

Falscher Maßstab

Die akademischen Anforderungen sind zum alles dominierenden Maßstab geworden. Wer in diesem Rahmen versagt, gilt als nicht intelligent und fällt aus dem Leistungssystem. Intelligenz kann sich aber in vielfältigen und höchst unterschiedlichen Formen manifestieren. Das gilt auch für kreatives Verhalten, das sich jeder Normierung entzieht.

Das Schulsystem wurde im 19. Jahrhundert entwickelt und ist auf den ökonomischen und gesellschaftlichen Bedarf des Industriezeitalters zugeschnitten. Es wird damit den Ansprüchen einer Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht gerecht, in der es weniger auf einen etablierten Wissenskanon als auf neue, offene Formen des Lernens ankommt, um den individuellen und gesellschaftlichen Umbrüchen gewachsen zu sein.

Kreativität ist nicht auf wenige beschränkt

Zwischen Nachfrage und Angebot an Kreativität, rhetorischem Anspruch und realer Leistung ist eine wachsende Kluft zu bemerken. Die Ursache könnte mit einem grundlegenden Irrtum verbunden sein. Kreativität wird oft mit isolierter Hochbegabung gleichgesetzt. Das verleitet große Firmen dazu, eigene Abteilungen für sogenannte "Kreative" einzurichten, deren Innovationen aber selten die hochgesteckten Erwartungen erfüllen.

Kreativität ist nicht auf wenige, besonders schöpferische Menschen beschränkt. Jeder hat kreative Fähigkeiten, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Sie sind die wichtigsten Ressourcen für Unternehmen und Organisationen. Ihre Entwicklung würde Freiräume benötigen, eine systemische Strategie erfordern, interdisziplinäre Zusammenarbeit in Teams voraussetzen und die gesamte Organisation umfassen. Dass auch die Kreativität der Kunden für die Produktentwicklung genutzt werden kann, haben Unternehmen erkannt, die auf die Mitwirkung von Usern bei der Produktinnovation setzen.

Nur bestimmte Begabungen werden gefördert

Bei der Erschließung kreativer Potenziale sind Probleme zu bewältigen, deren Ursachen in Schulen und Universitäten zu suchen sind. Das Bildungssystem selektiert nach ökonomischen und intellektuellen Kriterien. Nach dem jeweiligen Bedarf auf dem Arbeitsmarkt werden Kategorien der Nützlichkeit aufgestellt, die eine individuelle Entfaltung beschränken.

Mit einem "intellektuellen Filter", der sich an akademischen Standards orientiert, werden nur bestimmte Formen von Intelligenz durchgelassen und honoriert. Akademische Abschlüsse sind aber noch keine Garantie dafür, dass Menschen kreativ werden oder für das lebenslange Lernen gerüstet sind.

Keine Gesellschaft, keine Institution, kein Unternehmen kann es sich leisten, Begabungen verkümmern zu lassen. Ein neues Verständnis von Kreativität und Veränderungen in der (Unternehmens-)Kultur wären notwendig, um Talente zu nutzen und Innovationen zu fördern.

Hör-Tipps
Kontext, "Bücher über Kreativität", Freitag, 16. Oktober 2009, 9:05 Uhr

Radiokolleg, "Der Zwang zum Neuen", Montag, 19. Oktober bis Donnerstag, 22. Oktober, 9:05 Uhr

Radiokolleg, "Eins bis Fünf", Montag, 19. Oktober bis Donnerstag,22. Oktober, 9:30 Uhr

Dimensionen, "Kann die Schule lernen?", Montag, 19. Oktober 2009, 19:05 Uhr

Dimensionen, "Wo entspringt die Innovation?", Dienstag, 20. Oktober 2009, 19:05 Uhr

Salzburger Nachtstudio, "Die Quellen schöpferischer Kraft", Mittwoch, 21. Oktober 2009, 21:01 Uhr

Ö1 Kinderuni, "Was ist ein kreativer Kopf?", Sonntag, 25. Oktober 2009, 17:10 Uhr

Matrix, "Der Vater des Lerncomputers", Sonntag, 25. Oktober 2009, 22:30 Uhr

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