Anders als man denkt

Überleben an der Wickelfront

Das Leben mit Kindern ist für Männer immer noch etwas Besonderes. Und Besonderes gehört schriftlich festgehalten. Der "Spiegel"-Journalist Dieter Bednarz war 49, als er zum ersten Mal Vater wurde. Wie es ihm damit erging, kann man in seinem Buch lesen.

Nein, nicht schon wieder ein neues Väter-Buch, möchte man auf den ersten Blick ausrufen. Doch keine Angst, ist es nicht, sollte es auch nicht sein, betont Dieter Bednarz. Es sind vielmehr die Konfessionen eines "Spiegel"-Redakteurs, der im Alter von 49 von den lange herbeigesehnten Früchten seines Leibes "versklavt" wurde, wie er es ausdrückt.

Fanny und Lilly, heute 3 Jahre alt, sind die Chefs, die gemeinsam mit dem Juniorboss Rosa, heute 1 Jahr, den männlichen Leibeigenen vulgo Vater ganz schön auf Trab halten. Der rastet schon einmal aus und beneidet immer wieder Onkel Tom, der wenigstens eine Hütte besaß. Tür zu. Ruhe. Bei Bednarz schreien und poltern sie draußen vor der Klotüre, dass ihm nur die Wahl zwischen Pest und Cholera bleibt.

Lass ich die Kinder außen vor brüllen sie mir nicht nur meine kleine Bude ein, sondern das ganze Haus. Gebe ich nach, muss ich nicht nur den ersten Autoritätsverlust des Tages einstecken, sondern kann auch gleich wieder die Hosen hochziehen und die Stellung räumen.

Die Liebe über den Schnulleralltag retten

Wer will es dem "Spiegel"-Redakteur, der als Vorreiter in der Redaktion mutig sein Karenzjahr geleistet hat, da verdenken, dass er, der sonst an Kunst und Hochkultur Interessierte, sich manchmal der gestrauchelten Teenie-Popprinzessin Britney Spears nahefühlt. Die schrie ihre Luxuspsychiater an: "Ich will mein altes Leben zurück".

Das gelte auch, so Bednarz, was die Beziehung mit seiner Frau, der Hamburger Anwältin Esther Göttling betrifft. Denn neben der ständig tobenden Wickelfront gilt es natürlich auch die Partnerschaftsfront heil zu überstehen, sprich: die Liebesbeziehung über Schnuller- und Windelalltag zu retten.

Und dann noch der Beruf

Das mit Zitaten und Anekdoten gespickte Buch hat zwei Erzählstränge: Bednarz' Alltags-Kampf und natürlich auch die Freude an den Töchtern, die Diskussionen mit der Schwiegermutter und vor allem seine immer wieder auftretenden Selbstzweifel und erfrischend offenen Angstschilderungen sind in der Ich-Form geschrieben.

Anrufe gegen neun Uhr morgens fürchtet der inzwischen wieder arbeitende Redakteur besonders, denn dann kann es sich nur um etwas Berufliches handeln.

Mich verunsichert es, um diese Zeit in Unterhose und Socken am Telefon zu stehen, von der Dusche noch feucht hinter den Ohren, während am anderen Ende der Leitung einer sitzt, der bereits drei Dutzend Zeitungen gelesen hat und mich nun um meine Meinung zu einer aktuellen Nachricht bittet. Je später die Anrufe desto peinlicher. Wer auch mit 50 seine berufliche Zukunft noch nicht ganz abgeschrieben hat, sollte selbst als Journalist um diese Zeit zumindest auf dem Weg zur Arbeit sein.

Ein Hoch auf die Schwiegermutter

Früher wurde er für seine Geduld geschätzt, heute bezeichnet er sich selbst als leicht reizbar und dünnhäutig. Außerdem sei er in den drei Jahren des Daseins seiner Töchter rapide gealtert.

Dennoch spricht mir Harald Schmidt aus dem Herzen: Laut Umfrage, lästerte der Entertainer und Mehrfachvater, lieben 75 Prozent der Deutschen Kinder, der Rest hat welche.

Gut dass es die Schwiegermutter gibt, auch wenn das Leben mit Oma Hannelore nicht immer vergnügungssteuerpflichtig ist. Immerhin sei sie flexibel, kenne keine Schließzeiten wie die Kinderkrippe und wolle nicht wie das Kindermädchen ausgerechnet dann zu einem Rap-Konzert gehen, wenn das Ehepaar Bednarz gerade mal irgendwo eingeladen ist.

Selbst mit ihrem Urlaub richtet sich die Oma nach uns, in der Hoffnung, dass wir sie mitnehmen. Aber Erholung mit der Schwiegermutter, das wäre ja die Quadratur des Kreises.

Trotz dieser deutlichen, wenig charmanten Worte: Die Oma sittet nach wie vor regelmäßig und auch gerne, versichert Dieter Bednarz.

Unter "erschwerten Bedingungen" entstanden

Die Kapitel über die Beziehung zu seiner Frau und die Mühen, die diese auf sich genommen hat, um mittels In-vitro-Fertilisation den lange unerfüllten Kinderwunsch des Paares doch noch wahr werden zu lassen, sind in der dritten Person verfasst.

Bei allem Spaß und aller durch zum Teil maßlose Übertreibungen gestützten Ironie von Papa Dieter lebt das Buch auch von der Information, die der seriöse "Spiegel"-Redakteur Bednarz vermittelt. Sehr offen und gut recherchiert, schreibt er über das Tabu der Kinderlosigkeit, über die Reproduktionsmedizin und über den Wandel, den die Schwangerschaft mit sich bringt. Etliche Seiten widmen sich der Zwillingssituation.

"Dieses bescheidene Werk entstand unter erschwerten Bedingungen", versucht Dieter Bednarz im Nachtrag potenziellen Kritikern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Es will weder an den scharfen Kriterien des Sachbuchs noch an den Maßstäben der Literatur gemessen werden."

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Dieter Bednarz, "Überleben an der Wickelfront. Vom Elternglück in den besten Jahren", DVA

Link
DVA - Überleben an der Wickelfront