Bus in den USA, 1956

AP/HORACE CORT

Spielräume Spezial

Der Omnibus in der Musik

Die Welt der Busse ist ein sozialer Mikrokosmos und Busfahren birgt magische Momente. Und so ist "Magic Bus" auch passender Titel für diese dreiteilige Serie der Spielräume Spezial über eines der wichtigsten Verkehrsmittel überhaupt, nicht nur im angelsächsischen Raum.

Den Omnibus gab es lang vor der Motorisierung. Das lateinische „Für alle!“ diente einem französischen Pferdefuhrwerksbetreiber in den 1820er Jahren als Slogan zur Bewerbung seiner geräumigen Mietkutschen. Wenig später wurde die Bezeichnung in Paris populär, ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch andernorts. Und längst hat sich auch der Lateiner damit abgefunden, dass im verkürzten Wort „Bus“ nur noch eine Dativendung verblieben ist.

Im Schatten der Eisenbahn

In der Popularmusik steht der Bus im Schatten der Eisenbahn. Abertausende Lieder, ja ganze Subgenres hat Letztere in den USA entstehen lassen: Songs, die von illustren Schnellzügen und Eisenbahngesellschaften handeln, von schlimmen Zugunglücken, von heldenhaften Taten der Schienenarbeiter, Heizer, Lokführer und Bremser und von Abenteuern der Hobos auf langen Güterzugfahrten. Dem Country-Pionier Jimmie Rodgers hat das Leitmotiv Eisenbahn gar seine gesamte kurze Karriere befeuert und den Beinamen The Singing Brakeman beschert.

Die Welt der Busse ist ein sozialer Mikrokosmos, der sich deutlich von jenem der Züge abhebt, auch in der Musik. Allein schon Bushaltestellen sind ja oft nur wenig attraktive Orte. Aber natürlich wird auch hier gewartet, geredet, geflirtet, geträumt, getrauert und gehofft. Auf den hektischen, Dieselgeruch verströmenden Terminals der Fernbusse wiederum kommt vielleicht nicht jene Reiseromantik auf, die große alte Bahnhöfe gern entfachen, doch locken auch sie mit der Befriedigung von Fern- und Heimweh, nur eben auf ihre eigene, etwas spröde Weise. Beim Busfahren liegt gerade im Niederschwelligen und Billigen ein Gutteil des Charmes.

Intime Atmosphäre

Die einst silberfarbenen Busse der Greyhound Lines allerdings strahlten mitunter einen mehr als nur buchstäblichen Glanz aus. „There’s a Greyhound going somewhere, think I might just go there, too!“, singt Bobbie Gentry in ihrer Sehnsucht nach einer langen Fahrt in das Irgendwo. Und Robert Johnson wünscht sich in Me and the Devil Blues gar neben dem Highway begraben zu werden, auf dass seine rastlose Seele jederzeit einen Greyhound erwischen möge.

Im Bus selbst ist die Atmosphäre intimer als in der Bahn, schließlich befinden sich hier alle gemeinsam samt Lenker oder Lenkerin in einem recht überschaubaren Raum. So betont Fats Waller Mitte der 1930er Jahre in Us on a Bus sehr treffend das Wir-Gefühl im Bus, wenn sich auf einer langen Fahrt alle Pärchen in den Doppelsitzen aneinanderschmiegen und jedes Rumpeln über Straßenunebenheiten für lustvolle Vertraulichkeiten ausnützen. Akustik-Rapper G. Love wiederum besingt das Phänomen, dass coole Typen stets auf der Fünferreihe ganz hinten im Bus zu sitzen pflegen.

That's why Rosa sat on the bus

Die räumliche Begrenztheit im Bus hat auch politische Dimensionen; es ist kein Zufall, dass mutige Afroamerikanerinnen wie Irene Morgan und Rosa Parks gerade im Bus mit ihrem Protest gegen Segregation und Diskriminierung Bürgerrechtsgeschichte geschrieben haben, was sich auch in Musik niedergeschlagen hat.

Die städtischen Doppeldecker des Vereinigten Königreichs waren natürlich ebenfalls Inspiration für allerlei Songs, etwa bei The Who. Da wird der Bus auf dem Weg zur Liebsten gar zum Magic Bus erkoren - samt Kaufangebot an den Fahrer: „I don't wanna cause no fuss / But can I buy your Magic Bus?“ Egal, ob verliebt oder nicht, ob Überlandfahrt oder Kurzstrecke, Busfahren kann magische Momente bergen.

Gestaltung

  • Michael Neuhauser