Birgit Meyer im Interview
Von der Härte des Operngeschäfts
Birgit Meyer ist die neue Direktorin der Kölner Oper. Im Interview spricht sie über über das Unverzeihliche in ihrem Geschäft und verglich das Wiener Publikum - das sie aus ihrer Volksopernzeit gut kennt - mit dem Kölner Publikum.
8. April 2017, 21:58
Irene Suchy: Sie führen die Funktion einer Operndirektorin aus, über Ihnen steht ein Intendant. Wie ist die Struktur in Köln?
Birgit Meyer: Ich bin in Köln Operndirektorin und stellvertretende Intendantin, leite gleichzeitig auch noch die Dramaturgie. Der Direktor in dem Sinne, wie es hier in Wien verstanden wird, ist Herr Laufenberg als Intendant.
Sie kommen von der Dramaturgie, ein Fach, unter dem man sich schwer etwas vorstellen kann, was diese Menschen tun - neben der Tätigkeit des Programmheft-Schreibens oder Über-, Unter- beziehungsweise Lauftitel. Dieses Fach ist aber in anderen Städten und in europäischen Ländern ein Studium - in Berlin gibt es ein Studium der Dramaturgie und glücklicher Weise werden Sie auch in Wien an der Musikuni das Fach unterrichten. Was ist ihre Arbeit und was ist ihr Aktionsradius als Dramaturgin?
Ich betreue eine Produktion von den Anfängen an, also ab eineinhalb Jahre vor der Premiere. Die Rolle, die ich dabei einnehme, ist verschieden. Ich bin eine, die erst einmal schaut wie es so läuft, was die anderen einbringen, manchmal ist man mehr, manchmal weniger gefragt. Es gibt Regisseure, die sich wünschen, dass man ihre Gedanken strukturiert und aufgreift, andere, die sehr selbständig arbeiten - das lass ich in der Regel dann auch so laufen. Ich beobachte das und schaue, wie sich das Ganze so entwickelt, hab' gelernt im Laufe der Zeit, wie man Kritik schonend und konstruktiv einbringt.
Als Dramaturgin frage ich mich: ist die Struktur tragfähig, sind es die Gedanken, die Ideen, die künstlerischen Konzepte und wie setzt es sich dann auf der Bühne um und wenn ich mich in die Rolle der Zuschauererin und des Zuschauers einfinde, also in das Publikum, möchte ich sehen: Ist das spannend, verstehe ich alles, höre ich alles, bin ich überzeugt, bin ich berührt?
Wenn ein Haus läuft, wie jetzt die Volksoper, hat man das Gefühl, es geht gar nicht anders - und wenn es nicht läuft, weiß jeder, warum es nicht läuft. Sie haben die Volksoper in verschiedenen Direktionen miterlebt, was nehmen Sie mit aus Ihren Erfahrungen für Köln?
Gelernt hab' ich zum Beispiel: Wenn man besondere Dinge machen will, dann hat man die Verpflichtung, diese Dinge qualitativ besonders gut zu machen, um zu beweisen, dass die Auswahl, die man getroffen hat, auch gut und richtig war, da werden einfach keine Fehler verziehen. Umgekehrt, wenn ich Stücke spiele, die ganz bekannt sind - ich hab das hier manchmal die heiligen Kühe genannt -, wenn ich diese Werke spiele, bin ich mit einer ganz großen Erwartungshaltung konfrontiert, gerade hier in Wien.
Können Sie das Kölner Publikum charakterisieren im Unterschied zum Wiener Volksopernpublikum?
Das Wiener Publikum geht mit einem solchen Wissen und mit einer solchen Begeisterung in die Oper, dass die Erwartungshaltung auch so groß ist und Fehler nicht verziehen werden. Aber zum Theater gehört natürlich auch, dass man wirklich etwas Neues ausprobiert, dass man wirklich neue Sichtweisen schafft, dass man Unvorhergesehenes auf der Bühne sichtbar macht.
Köln wiederum ist innerhalb von Deutschland auch eine ganz besondere Stadt: Köln ist eine singende Stadt. Das Singen hat in Köln eine ganz große Tradition, die Menschen sind sehr mit dem Singen und der Musik verbunden und daher gibt es in Köln eine große Leidenschaft für die Oper und für die Musik.
Sie stehen vor Herausforderungen in Köln; ein Umbau des Hauses steht an.
Was wir schon gefunden haben ist so eine Art festes Quartier. Das ist ein altes Fabriksgelände, Palladium; dort wird es so ungefähr fünf Neuproduktionen geben, wir stellen vom Repertoirebetrieb auf Stagionebetrieb um. Wir haben uns noch weiter umgeschaut in Köln, haben Filmstudios in Ossendorf gefunden, wo zum Beispiel nebenan "Deutschland sucht den Superstar" gedreht wird und Kirchen, um Barockoper zu spielen.
Was ist denn die Vision von Oper, auf eine Weise hat man doch das Gefühl, Oper ist am Ende, Uraufführungen sind unglaublich rar an der Wiener Staatsoper und an der Volksoper und Werke der letzten dreißig, vierzig Jahre stehen auch dramatisch selten am Spielplan. Man hat das Gefühl: Die Oper braucht nicht das Neue.
Wenn ein Theater bloß vor hat, alle fünf, sechs Jahre eine zeitgenössische Oper zu machen, sollte es das besser sein lassen, weil es ein immenser Aufwand ist, bis einem sich die Schönheit solch eines Werkes erschließt. Damit das ankommt, muss man das wirklich jedes Jahr machen und dem Publikum die Vielfalt des zeitgenössischen Musiktheaters vorführen, damit es auch einen Geschmack entwickeln kann und lernt, zu hören. Wir wissen, was wir erreichen wollen, aber das ist sicher auch ein Prozess des Ausprobierens, zu sehen, wie etwas ankommt und dann auch darauf zu reagieren.
Hör-Tipp
Apropos Musik, 1. November 2009, 15:06 Uhr
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Oper Köln
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien