Kleines Portrait eines kleinen Instruments

Ein klingender Holzspan

Oft wird es wegen der optischen Ähnlichkeit als Ukulele bezeichnet. Doch das brasilianische Cavaquinho ist nicht nur anders gestimmt, sondern hat auch vielfältigere Aufgaben als seine hawaiische Verwandte - als Harmonie- und Soloinstrument.

Manche Brasilianer erzählen, dass das Cavaquinho erfunden wurde, weil viele Menschen in Brasilien mit der sechssaitigen Gitarre aus Europa nichts anzufangen wussten. Wie sollen denn auch die vier Finger der linken Hand (der Daumen bringt ja nichts!) sechs Saiten bedienen können? So habe man folgerichtig eine kleine Gitarre mit nur einer Saite für jeden Finger gebaut.

Doch diese nette Geschichte ist leider nicht wahr. Das Cavaquinho hatte auf der iberischen Halbinsel schon lange Tradition, als es mit den Portugiesen nach Brasilien kam. In Portugal, Madeira, auf den Azoren und den kapverdischen Inseln spielt es in unterschiedlichen Bauformen und Stimmungen bis heute eine wichtige Rolle in der traditionellen Musik. Im Spiel perfektioniert wurde es jedoch in Brasilien, wo es aus den verschiedenen Samba-basierten Musikstilen nicht wegzudenken ist.

Allein gegen dutzende Trommler

Knappe 60 Zentimeter ist das Cavaquinho lang. Der Korpus sieht aus wie der einer Gitarre, nur entsprechend kleiner. Das Griffbrett ist an seiner schmalsten Stelle überhaupt nur drei Zentimeter breit, sodass man sich fragt, wie die Finger eines Erwachsenen die vier Stahlsaiten überhaupt sauber greifen können. Die teils schwindelerregend schnellen Kompositionen, die es für Cavaquinho als Soloinstrument gibt, beweisen, dass es doch sehr gut geht.

Und die Reduktion auf vier Saiten in der Stimmung D - G - H - D (in Brasilien) macht auch rasche und ökonomische Griffwechsel möglich. Trotz seiner Winzigkeit ist das Cavaquinho klanglich ein mächtiges und durchdringendes Instrument. Im Samba Enredo, der Musik der Sambaschulen von Rio de Janeiro, tritt es sogar als einziges Harmonieinstrument allein gegen dutzende Trommler an.

Vom Begleit- zum Soloinstrument

Ursprünglich war das Cavaquinho ein reines Begleitinstrument. Zusammen mit der Gitarre übernimmt es traditionellerweise die harmonische Basis in den brasilianischen Sambas, Boleros und Chorinhos.

Mit Waldir Azevedo hat sich das Repertoire erweitert. Er hat einige Stücke für Solo-Cavaquinho geschrieben und damit einen Meilenstein in der brasilianischen Popularmusik gesetzt. Sein "Brasileirinho" aus dem Jahr 1947 ist mit seinen extrem schnellen Läufen bis heute so etwas wie das Meisterstück für jeden guten Cavaquinho-Spieler.

Die portugiesische Braguinha und die hawaiische Ukulele

In manchen brasilianischen CD-Booklets für den internationalen Markt wird das Cavaquinho fälschlicherweise als Ukulele bezeichnet. Diese hawaiische Verwandte des Cavaquinho ist jedoch anders gestimmt und hat Nylonsaiten.

Tatsächlich aber entstand die Ukulele, als portugiesische Einwanderer nach Hawaii kamen und von der Insel Madeira die Braguinha mitbrachten, eine Form des Cavaquinho, welche die Hawaiianer zur Ukulele umfunktionierten.

Ein geschwätziges Stückchen Holz

Das Wort "Cavaquinho" ist das Diminutiv von "Cavaco". Wahrscheinlich hat sich deshalb auch im Deutschen der sächliche Artikel durchgesetzt. Eigentlich müsste es ja der Cavaquinho heißen.

Cavaco hat im Portugiesischen mehrere verschiedene Bedeutungen, und alle passen sie recht gut zu dem kleinen Gitarreninstrument, auch wenn der direkte semantische Bezug nicht belegt ist: "Holzspan" zum Beispiel, aber auch "Plauderei" oder "Gequatsche" - ein kleiner klingender Holzspan, ein geschwätziges Stückchen Holz, das munter vor sich hinplappert...

Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 8. November 2009, 17:30 Uhr