Große Euphorie und hohe Erwartungen

Die Wirtschaft im Osten Deutschlands

Am 9. November jährt sich zum 20. Mal der Mauerfall, seit bald 20 Jahren ist Deutschland wieder einig Vaterland - mit einem Währungs-, einem Wirtschafts- und einem Sozialsystem. Mehr als 1,5 Billionen Euro sind bisher in den Aufbau Ost geflossen.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 zerbricht die bestbewachte Grenze zwischen Ost und West, zwischen dem System der Plan- und der Marktwirtschaft. Die Berliner Mauer fällt, und die Epoche des real existierenden Sozialismus neigt sich ihrem endgültigem Ende zu.

Der Aufbau der Wirtschaft im Osten Deutschlands und das Angleichen an die Lebensverhältnisse im Westen im Zuge der Wiedervereinigung war und ist ein einmaliges Experiment.

Blühende Landschaften

Nach dem Fall der Mauer verspricht der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl den Menschen große Investitionen aus dem Westen. Gemeinsam werde man in nur wenigen Jahren ein blühendes Land schaffen. Tatsächlich ist in den vergangenen beiden Dekaden enorm viel entstanden, trotzdem ist die ehemalige Zone noch immer die Problemzone der Bundesrepublik.

Die Rechnung für den oft zitierten Glücksfall der Geschichte wird noch lange nicht beglichen sein. Annähernd 1,5 Billionen Euro - das entspricht aktuell ungefähr dem Gesamtschuldenstand Deutschlands - hat der Westen bisher in den Osten transferiert.

Noch immer große Unterschiede

Der Traum von der schnellen Angleichung der Lebensverhältnisse ist dennoch bis heute nicht Realität geworden. Die neuen Bundesländer haben zwar stark aufgeholt und liegen klar vor den ehemaligen Bruderstaaten des Ostblocks, der Abstand zu den alten deutschen Bundesländern ist und bleibt groß und die Nachbarn im Osten holen stark auf.

Der Wirtschaftsforscher Karl Heinz Paqué von der Universität Magdeburg analysiert den Fortschritt im Osten Deutschlands, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung. Nicht das Erreichte sei enttäuschend, sondern die Aufgabe sei extrem schwierig gewesen, sagt Paqué. Die Folgen von 40 Jahren Abschottung vom Weltmarkt sei zunächst unterschätzt worden, eine ganze Generation von Unternehmern habe im Osten gefehlt.

Werkbank des Westens

Der Osten ist für den Westen noch immer ein wichtiger Absatzmarkt und für viele deutsche Konzerne eine verlängerte Werkbank: Die Produktion wird in den billigeren Osten verlegt, Firmenzentralen, Forschung und Entwicklung bleiben weiter im Westen.

In Zukunft sollte es mehr Forschung und Innovation im Osten geben, sagt Wirtschaftsforscher Karl Heinz Paqué, und es müsse mit Universitäten und Fachhochschulen ein Geflecht aus öffentlicher Forschung und privater Wirtschaft entstehen, wie es im Westen schon besteht.

Erneuerbare Energie und High Tech

Positives Beispiel ist die deutsche Solar AG, eine Tochter der Bonner Solarworld, die ihre gesamte Produktion für den Weltmarkt in den Osten, konkret nach Sachsen, verlagert hat. Eine Symbiose aus Erfahrung und Wissen aus Ost und West sei die Chance für die Zukunft, sagt der Firmenchef.

Eine dauerhafte Rückständigkeit wird sich der Westen angesichts der angespannten Budgetsituation von Bund, Ländern und Gemeinden nicht allzu lange leisten können. Darin sind sich Politik und Wirtschaft einig. Bis 2019 gilt noch der so genannte Solidarpakt, durch den insgesamt mehr als 150 Milliarden Euro in die neuen Bundesländer investiert werden. Spätestens in zehn Jahren soll sich der Osten wirtschaftlich selbst tragen können.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 6. November 2009, 9:45 Uhr

Übersicht

  • Wendejahr 1989