Ein Grandseigneur bis in die Fingerspitzen

Goldene Schallplattenjahre

Von Musikkassette, CD und Mini-Disc zum Surround Sound: immer alles neu im Audio-Bereich. In den 1950er Jahren war die LP das neue E-Musik-Medium, und die Plattenfirmen produzierten wild, auch Oper. Einer der Hauptdirigenten: Alberto Erede.

Wer sich für klingende Operndokumente aus den 1940er, 50er, 60er Jahren interessiert, begegnet dem Namen des Dirigenten Alberto Erede regelmäßig. Alberto Erede war am Pult, als Giuseppe di Stefano unverschämt jung und selbstsicher 1947 in den Londoner Abbey Road Studios vor dem Mikrophon stand. Er war 1949 in Genf mit Ernest Ansermets Orchestre de la Suisse Romande musikalischer Geburtshelfer bei der großen Karriere von Renata Tebaldi. Und er assistierte auch als Hilde Güden, die sich gezielt in Italien perfektionierte, 1954 aus Wien nach Rom kam, um Stücke aus "La Traviata", "Falstaff", "Gianni Schicchi" und "Turandot" aufzunehmen.

Vor allem aber führte Alberto Erede das Regiment bei den vielen, immer beneidenswert gut besetzten italienischen Opern-Komplettaufnahmen des Labels "Decca" in den frühen 1950er Jahren: Große Stimmen, große Oper.

Prägende Vaterfiguren

Alberto Erede hatte - auffallenderweise in der Schweiz und in Deutschland, nicht in Italien - prominente Lehrer: Felix von Weingartner und Fritz Busch. Zwei musikalische Aristokraten! Busch holte den jungen Erede, der in 1930 in Rom debütiert und schon 1935 in Turin den kompletten "Ring" dirigiert hatte, zum britischen Glyndebourne Festival. Die klassischen Ausweich-Aktionen für die, die sich im immer rechter werdenden Europa der Zeit nicht mehr wohlfühlten, folgten: Erede tourte mit der sogenannten "Salzburg Opera Guild" durch die USA und kam sogar bei Toscaninis NBC Symphony Orchestra unter; die Premiere von Gian Carlo Menottis "The Old Maid and the Thief" unter seiner Leitung ist dokumentiert.

1946 griff Alberto Erede zu, als die "New London Opera Company" einen Music Director suchte. (Das Londoner Opernleben war unmittelbar nach Kriegsende in Trümmern, das Royal Opera House Covent Garden noch nicht wieder als "erstes Haus" etabliert.) Der Rest ist Plattengeschichte: Erede kam so in Reichweite des Plattenlabels "London" (oder dann "Decca"), das ihm für ein paar Jahre die meisten italienischen Opern-Gesamtproduktionen anvertraute, im Übergang von der Schellack- zur Langspielplattenära und bald darauf beim Umstieg von Mono auf Stereo, einer "goldenen" Zeit für die Plattenindustrie, in der besonders heftig produziert wurde.

Bleibende Plattendokumente

Wer sich an Mario del Monacos "con forza"-Singen (und überhaupt am theatralischen Sing-Stil der Zeit) nicht stößt, wird an Verdis "Il trovatore" und "Otello" mit Erede am Pult und Renata Tebaldi in den Sopranpartien seine Freude haben. Wenn es "La Boheme" auf Deutsch sein soll, ist die Erede-Version aus Berlin 1961, mit Pilar Lorengar und Rita Streich, Sandor Konya und Dietrich Fischer-Dieskau nach wie vor erste Wahl.

Die von Alberto Erede betreute Donizetti-"Favorita" aus Florenz 1955 versammelt die Prachtstimmen von Giulietta Simionato und Ettore Bastianini: ein Sänger-Fest. Und auch die "Turandot" aus Rom mit Alberto Erede am Pult, bei der die Elektra, Salome, Leonore, Sieglinde Inge Borkh den Vorzug vor italienischen Turandot-Interpretinnen erhielt, steht weiterhin ganz oben auf der "Turandot"-Bestenliste.

MET und Deutsche Oper am Rhein
Alberto Erede, der vor 100 Jahren geboren wurde und 2001 starb, mag kein Maestro in der Toscanini-, de Sabata-, Giulini-Riege gewesen sein. Aber er besaß einen "Personalstil", der sich in seinen Studioaufnahmen vermittelt: Wenn Erede dirigiert, dann "schwitzt" die Musik nicht, passend zu seiner Attitüde Marke "belesener Gentleman". Nur nicht zu viele "Drücker", nur nicht zu dick auftragen!

Parallel zu seiner Plattenstudio-Tätigkeit wurde Alberto Erede in den 1950er Jahren für etliche Saisonen Rudolf Bings Hauptdirigent fürs italienische Fach an der (alten) Metropolitan Opera New York. Danach zog es ihn nach Deutschland, wo die Chefposition an der damals sehr prominenten Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf frei wurde. Obwohl Eredes "Ära" in Düsseldorf streng genommen schon nach ein paar Jahren wieder endete, blieb er dem Haus prägend verbunden bis 1990, dem Ende seiner Dirigentenkarriere.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 12. November 2009, 15:06 Uhr