Robert Shiller über Irrationalität und Risikoabsicherung

"Mister Bubble" und die Psychologie der Märkte

Er hatte die globale Wirtschaftskrise vorausgesagt, doch niemand wollte ihm glauben. In seinem Buch "Irrationaler Überschwang" warnte Robert Shiller schon im Jahr 2000 vor dem Platzen der New-Economy-Blase, sowie vor einer drohenden Immobilienkrise.

Robert Shiller über Finanzberater

Robert Shiller, der, als vor der Jahrtausendwende die Börsenkurse in die Höhe schossen, das Platzen der New-Economy-Blase voraussagte, Robert Shiller also hat selbstverständlich ein Modell entworfen, das ihm sagt, wie sich die Börsenkurse entwickeln werden. Und dennoch hat er - das eigene Vermögen betreffend - aus dem Bauch gehandelt.

Ökonomen übersehen das Menschliche

"Ich habe das meiste Geld, das ich an der Börse veranlagt hatte, herausgenommen und einen Teil davon später wieder investiert. Ich war sehr überrascht, als die Kurse im Frühjahr wieder so stark anzogen. Wenn ich das nur gewusst hätte. Ich habe nicht auf mein eigenes Modell gehört. Die Frage ist tatsächlich, ob man einem Modell Glauben schenken soll, oder dem menschlichen Urteilsvermögen. Dieses Mal hat das Modell gewonnen", erklärt Shiller.

Ökonomen würden oft vergessen, dass wir in einer Welt voller Menschen leben, meint Robert Shiller. Selbstverständlich handeln Menschen des Öfteren strategisch. Aber die Komplexität menschlichen Verhaltens besteht zu einem großen Teil daraus, dass wir das Verhalten anderer analysieren. Manchmal führt das dazu, dass man von einer euphorischen Welle mitgerissen wird. Es kann aber auch dazu führen, dass man in ein Stimmungstief fällt.

Irrationaler Überschwang

Mit der Irrationalität menschlichen Verhaltens hat sich Robert Shiller schon sehr früh beschäftigt. Die so genannten animalischen Triebe, unsere Lebensgeister, sorgen dafür, dass wir nicht jede Entscheidung rational abwägen, sondern weit irrationaler handeln, als in der klassischen Wirtschaftstheorie angenommen.

Sowohl der Mensch, als auch der vom Menschen gemachte Kapitalismus ist fehlbar. Abschaffen oder zu stark beschränken sollte man ihn deshalb nicht. Im Gegenteil: Robert Shiller möchte den Kapitalismus verbessern. Regulierungen hält er dabei für unerlässlich. Aber nicht nur von Seiten der Politik.

Shiller erhofft sich auch regulatorische Elemente von Seiten der Privatwirtschaft, etwa einen neuen Markt für Finanzinstrumente, der die Risiken der Normalbevölkerung absichert und so den Unternehmergeist fördert. Etwa eine Absicherung auf Immobilienpreisverfall. Bildungskosten, Gesundheitskosten und Einkommenseinbußen könnten mit entsprechenden Finanzinstrumenten abgesichert werden.

Demokratie am Finanzmarkt

Robert Shiller will den Finanzmarkt demokratisieren, also für alle Menschen zugänglich machen. Er sieht in der Krise keineswegs nur Negatives. Im Gegenteil, für ihn ist die Krise ein "Window of Opportunity" für Wandel zum Guten. Robert Shiller ist überzeugt, dass es einen starken regulatorischen Rahmen braucht, aber innerhalb dieses Rahmens die außergewöhnlichsten Finanzinstrumente geschaffen werden sollen, um das Leben der Menschen zu verbessern.

Robert Shiller setzt vor allem auf das Hedgen von Risiken. Und das obwohl gerade das Instrument des Hedgen, also das Absichern eines Risikos, bekanntlich in den letzten Jahren einen schweren Imageschaden erleiden musste.

Staatlich unterstützte Finanzbildung

Alle Menschen sollten besser über die Finanzmärkte und ihre Risiken Bescheid wissen. Informiert zu sein, schütze vor Fehlentscheidungen. Schuld an der Krise sei demnach nicht die Komplexität der Produkte, meint Shiller. So wie ein benutzerfreundliches Auto ohne Computer selbst von einem Fachmann nicht repariert werden kann, so müssen Finanzprodukte nun mal kompliziert sein, um den Menschen zu dienen. Die Menschen brauchen einfach bessere Beratung: Finanzbildung.

Steuer auf Ungleichheit

Die aktuelle Wirtschaftskrise ist noch lange nicht überstanden. Weitere fünf Jahre werde sich die Wirtschaft eher schwach entwickeln. Und die Arbeitslosigkeit, die meist zeitverzögert kommt, macht ihm Sorgen.

Noch etwas stimmt Robert Shiller besorgt: die zunehmende Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen. Ungleichheit sei sowohl ökonomisch, als auch im Sinne der Gerechtigkeit nicht wünschenswert. In den letzten 20 Jahren habe diese gerade in den USA, aber auch in Europa besonders stark zugenommen.

Rückgängig machen will er sie heute nicht, aber er will einen Index implementieren: "Ich schlage einen Steuerindex auf Ungleichheit vor. Mein Vorschlag führt zu einem automatisierten höheren Grenzsteuersatz für Reiche sobald die Ungleichheit weiter ansteigt. Denn wir können die Ungleichheit einfach nicht noch größer werden lassen", erklärt Shiller.

Die Chancen der Krise

Die nächsten Jahre werden zwar hart, aber sie bieten gleichzeitig die Chance zur Innovation, zur Verbesserung und zur Erneuerung. Schließlich seien die USA aus der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren enorm gestärkt hervorgegangen.

Der Ökonom, der den Spitznamen "Mister Bubble" trägt, zeigt sich betont optimistisch: "Ich glaube an Menschen. Ich glaube an den Fortschritt. Ich sehe, wie Fortschritt passiert. Das 20. Jahrhundert war so ein Jahrhundert des Fortschritts. Ich hoffe ich lebe noch lange genug, um die neuen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erkenntnisse und Ergebnisse erleben zu können. Ich bin kein Pessimist, auch wenn ich immer wieder vor Rezessionen warne", sagt Robert Shiller.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 20. November 2009, 9:45 Uhr

Buch-Tipps
Robert Shiller, George Akerlof, "Animal Spirits", Campus, 2009

Robert Shiller, "Die Subprime Lösung", Börsenmedien AG, 2008

Robert Shiller, "Irrationaler Überschwang", Campus, 2000

Martin Schürz, Beat Weber, "Das Wissen vom Geld", Nausner & Nausner, 2008

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