Abgelegen und eisig

Grönland, das "Ultima Thule"

Mit 2,175 Millionen Quadratkilometern ist Grönland die bei weitem größte Insel der Welt, zugleich mit nur 57.000 Einwohnern das - abgesehen vom Kontinent Antarktika - am dünnsten besiedelte Land. Reisen in Grönland sind nach wie vor ein Abenteuer.

Schon in der Antike war ein geheimnisvolles Land im hohen Norden bekannt, das man wegen seiner äußersten Entlegenheit "Ultima Thule" nannte.

Bis vor kurzem hieß es: "Wenn man die Welt gesehen hat, bleibt immer noch Grönland". Heute ist eine Reise nach Grönland einfach, Reisen in Grönland jedoch kostspielig und nach wie vor kompliziert. Denn die Rieseninsel ist großteils mit Eis bedeckt, und Straßen gibt es fast keine.

Ein komfortables Abenteuer

Eine praktikable Möglichkeit, Grönland zu bereisen, bietet sich mit der "Fram", dem Expeditionsschiff der norwegischen "Hurtigruten"-Reederei.

Das erst 2007 in Dienst gestellte, bestens ausgerüstete Schiff trägt einen berühmten Namen: "Fram" hieß bereits das Schiff, mit dem der Polarforscher Fridtjof Nansen Ende des 19. Jahrhunderts den Nordpol erreichen wollte. Die Reisen mit der neuen "Fram" sind weitaus komfortabler, und doch oft auch ein kleines Abenteuer.

Es gibt zwar einen Fahrplan, aber der kann nicht immer eingehalten werden, zum Beispiel wegen Treibeis. Doch genau dies, an keinen fixen Zeitplan gebunden zu sein, sei gerade das Reizvolle an diesen Erkundungsreisen, meint Kapitän Rune Andreassen.

Originale Memorabilien der alten "Fram"

In Vitrinen werden auf dem neuen Schiff Gegenstände gezeigt, die schon auf der historischen "Fram" verwendet wurden, zum Beispiel Navigationsgeräte, aber auch Fotoapparate, und sogar eine Schachtel mit Zündhölzern. Weiters gibt es Utensilien zu sehen, die bei Ausgrabungen gefunden wurden und von den Ureinwohnern der Arktis stammen, den Inuit.

Ebenso ausgestellt ist eine Erstausgabe der Reisebeschreibung von Roald Amundsen, des ersten Menschen am Südpol. Amundsen hatte seine geglückte Eroberung des Südpols ebenso mit der "Fram" angetreten wie Nansen seinen gescheiterten Versuch, den Nordpol zu erreichen.

Tropische Besatzung in eisigen Gewässern

Die Besatzung der "Fram" ist international, einige Maschinisten stammen aus Südamerika, das Service-Personal großteils von den Philippinen. Der Navigationsoffizier kommt aus Indien, aus Mumbai. Er bedauert, dass er sich mit den Inuit in Grönland kaum verständigen könne, weil diese nur wenig Englisch sprächen. Er hat seine Reise aus Südasien nach Nordwesten erst kürzlich auf dem Seeweg angetreten, während die Inuit vor über vier Jahrtausenden aus Sibirien, also Nordasien, auf dem Landweg nach Osten zogen und über Alaska und Kanada nach Grönland einwanderten.

"Eisstein" als Schmelzhilfe

Eine Station der "Fram" ist Ivittuut, wo seit dem 19. Jahrhundert Kryolith abgebaut wurde. "Kryolith" bedeutet "Eisstein" - das schneeweiße Gestein, das fast ausschließlich in Grönland vorkommt, diente zur Absenkung der Schmelztemperatur von Aluminium. Im Zweiten Weltkrieg war Ivittuut daher für die amerikanische Flugzeugproduktion wichtig, doch mittlerweile kann Kryolith synthetisch hergestellt werden.

1987 wurde der Minenbetrieb eingestellt und der Ort verlassen, heute ist er eine "Geisterstadt". In der ehemaligen Kantine sind noch Möbel aus den 1960er Jahren zu sehen, aber auch einige Moschusochsenfelle. Im Freien grasen lebende Moschusochsen, denen man nicht zu nahe kommen sollte.

Schwarz für Frauen, Weiß für Männer

Die Arbeiter haben gut verdient in Ivittuut, doch das Leben war einsam und entbehrungsreich. Noch in den 1920er Jahren starben viele an Skorbut, einmal forderte der Vitaminmangel sogar 17 Tote in einem einzigen Jahr. Auf dem Friedhof gibt es für die Verstorbenen je nach Geschlecht verschiedenfarbige Holzkreuze: Weiß für Männer, Schwarz für die wenigen Frauen.

Eine Frau betreut den heutigen "Geisterort", wenn Besucher angekündigt sind. Helle-Juul Bohnstedt-Petersen lebt mit ihrem Mann einige Kilometer entfernt auf der dänischen Marinestation Grönnedal. Sie kennt Ivittuut bereits seit Anfang der 1980er Jahre. Damals seien hier immerhin noch 20 Leute beschäftigt gewesen, sagt sie, und sie sei traurig, dass nun alles zerfalle. Ein Betreten der einstigen Direktorenvilla ist kaum noch möglich, sie ist wegen Einsturzgefahr bereits zugenagelt.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Aufbruchsstimmung in Grönland, Montag, 28. Dezember 2009 bis Mittwoch, 30. Dezember 2009, 9:05 Uhr

Buch-Tipps
Etain O'Carroll und Mark Elliott, "Greenland & The Arctic", Verlag Lonely Planet

Sabine Barth, "Grönland", Verlag Dumont

Christoph Seidler, "Arktisches Monopoly", Verlag Der Spiegel

Knud Rasmussen, "Unter Jägern und Schamanen", aus dem Dänischen von Friedrich Sieburg, Unionsverlag

Fridtjof Nansen, "Auf Schneeschuhen durch Grönland", Edition Erdmann

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