Wenn Schule zur Qual wird

Mobbing

Mobbing an Schulen ist gang und gäbe, das sogenannte "Cybermobbing" nimmt stark zu. Viele Opfer sind jahrelang traumatisiert. Was kann bei Mobbing getan werden, wie sollen Opfer, Mitschüler/innen und Lehrkräfte reagieren? Was können Täter daraus lernen?

Schikanieren und systematisches Ausgrenzen einzelner Kinder hat es an Schulen immer gegeben - in vielen Klassen gab und gibt es sogenannte Außenseiter. Heute hat das Phänomen einen neuen Namen: Mobbing.

Von Mobbing spricht man, wenn ein Schüler oder eine Schülerin über einen längeren Zeitraum hinweg von einem oder mehreren anderen physisch oder verbal angegriffen wird; zwischen Opfer und Täter herrscht immer ein Machtungleichgewicht. Während man Mobbing an Schulen früher einfach hinnahm, ist seit einigen Jahren eine Enttabuisierung im Gang.

Seine Wut im Internet ablassen

Ein schlimmer Mobbingfall erschütterte vor einem Jahr ein Gymnasium in Oberösterreich. Ein Lehrer hatte über Google einen Blog im Internet gefunden. Dessen Thema: das Gymnasium und seine Lehrer. Die Betreiber: Ein paar Oberstufenschüler.

Man habe die Seite zunächst gar nicht mit dem Gedanken eröffnet, über andere Leute zu schreiben, erzählen die ehemaligen Betreiber des Blogs. Zunächst ging es da um die Schule an sich oder auch um Politik: "Aber dann kam der Zeitpunkt, da hat einer etwas über Lehrer geschrieben und die anderen haben mitgemacht. Wer unangenehme Erfahrungen mit Lehrern gemacht hat, der hat hier seinen Druck und seine Wut ablassen können."

Wer am meisten beschimpft, ist der Hero

Es waren nicht irgendwelche kleinen Beleidigungen, die da - für jederman lesbar - im Internet kursierten. Lehrer, die zum Teil mit Namen genannt wurden, wurden mit wüsten Beschimpfungen bedacht, etwa: "Machtgieriges Arschloch, behindertes Viech, selbstgerechte Bastarde oder hinterlistige Schleimer."

Aus einem anfangs harmlosen Zeitvertreib war Cybermobbing geworden. "Es gab bei uns dann schon so eine Art Hierarchie. Der, der die schlimmsten Beleidigungen eingebracht hat, war eben oben", erzählt einer der Schüler.

Cybermobbing ist strafbar

Insgesamt sieben Schüler einer Oberstufenklasse haben den Blog betrieben. Die 17jährigen Burschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, haben die Auswirkungen ihres Cybermobbings letztendlich unterschätzt. "Wir haben uns zunächst nicht angreifbar gefühlt, denn im Internet ist man anonym", sagen sie, "im Nachhinein, als wir erwischt worden sind und die ganzen Gespräche mit der Direktorin und den betroffenen Lehrern geführt haben, ist uns nach und nach bewusst geworden, was das für Auswirkungen hat und welche Mittel den Angegriffenen auch zur Verfügung stehen."

Denn Cybermobbing - eine neue Form des Mobbings, die im Internet oder mit Handies betrieben und unter Jugendlichen immer häufiger wird - ist in schlimmen Fällen auch ein Straftatbestand, der zur Anzeige gebracht werden kann - ganz abgesehen von den Folgen für die Opfer.

Selbstmorde durch Mobbing

Diese fühlen sich verleumdet und verraten, sie werden nicht nur vor der Klasse, sondern vor einer viel breiteren Öffentlichkeit erniedrigt, sind total ungeschützt, und: Es ist gar nicht leicht, einmal im Internet veröffentlichte Inhalte wieder zu löschen.

Immer wieder treibt Cybermobbing Jugendliche sogar in den Selbstmord. In dem bewussten Blog der oberösterreichischen Schüler wurde übrigens auch eine Mitschülerin der Klasse, die Probleme hatte, in schockierenden Worten offen zum Selbstmord aufgefordert.

Wiedergutmachung statt Strafen

Geradezu vorbildlich reagiert hat die Schule, als das Cybermobbing aufflog: Die Beteiligten, die ja unter Decknamen geschrieben hatten, wurden aufgefordert, sich freiwillig zu melden. Als das geschehen war, mussten sie zahlreiche Gespräche mit der Direktorin und den betroffenen Lehrern führen und sich entschuldigen. Die ganze Klasse wurde in den Prozess der Aufarbeitung des Geschehenen miteinbezogen.

Und schließlich mussten die sieben Täter sogenannte Wiedergutmachungsarbeit leisten. So mussten die Schüler etwa einen Vortrag zum Thema Mobbing für die gesamte Oberstufe des Gymnasiums organisieren, was sie mit Feuereifer taten - die Veranstaltung, auf der die ehemaligen Blogbetreiber auch selber über Mobbing sprachen, wurde ein voller Erfolg.

Sie hätten aus ihren Fehlern gelernt, sagen die ehemaligen Täter: "Wenn man Probleme mit einer Lehrkraft oder anderen Schülern hat, dann ist es besser, das direkte Gespräch zu suchen, anstatt hinterrücks irgendwelche Sachen zu schreiben."

Wenn Opfer zu Tätern werden

Oft sind die Täter von Mobbing selbst auch Opfer. In jenem Fall etwa wurden Schüler von einer Lehrperson über lange Zeit gedemütigt. Nicht vorschnell zu urteilen, das habe die Schule aus dem Mobbingfall gelernt, sagt die Direktorin des Gymnasiums. Man könne Täter- und Opferseite nicht trennen und müsse genau hinschauen. "Wenn man es schafft, offen damit umzugehen, dann können die Jugendlichen unendlich viel dabei lernen. Als Schule sollen wir ja nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Persönlichkeiten stärken."

In den Augen der Schüler hat sich das Klassenklima durch den Vorfall - oder besser gesagt durch die umfassende Aufarbeitung des Vorfalls eher verbessert als verschlechtert.

Wachsende Sensibilität

Die Fälle von Mobbing und Gewalt an Schulen haben nach übereinstimmenden Aussagen von Experten in den letzten Jahren zwar nicht zugenommen, sie sind aber brutaler geworden und es gibt neue, besonders verletztende Formen wie eben das Cybermobbing.

Was eindeutig gestiegen ist, ist die Sensibilität für das Thema und damit auch die Bereitschaft, dagegen einzuschreiten. Für das kommende Jahr wird es zum Beispiel etwas mehr Geld für die Schulpsychologie geben. An immer mehr Schulen gibt es Peer-Mediatoren, in der Lehrerausbildung soll künftig mehr Augenmerk auf Mobbing- und Gewaltprävention gelegt werden und in diesem Schuljahr gibt es ein erstes Schulpaket zum Thema Cybermobbing. Ein Hoffnungsschimmer für kommende Generationen von Schülerinnen und Schülern - damit Schule nicht mehr zur Qual wird.

Hör-Tipp
Journal Panorama, Dienstag, 15. Dezember 2009, 18:25 Uhr

Links
Weiße Feder
Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ
Wiener Stadtschulrat - Bildungspsychologie
Universität Wien - Bildungspsychologie