Der Verlust gültiger Wahrheiten

Der Mensch in der Revolte

Der existenzialistische Schriftsteller und Philosoph Albert Camus ging von der grundsätzlichen Absurdität des Menschen in der Moderne aus. Der Mensch verfügt seiner Meinung nach über keine metaphysischen und religiösen Gewissheiten.

Der Mensch des 20. Jahrhunderts ist laut Camus ein Wesen, das den Heilserwartungen der Religionen und den Versprechungen von philosophischen oder politischen Programmen nicht mehr vertrauen kann. Der Mensch ist einer nicht durchschaubaren Welt ausgeliefert; - keine Hoffnung auf Transzendenz, keine Hoffnung auf Erkenntnis einer ewig gültigen Wahrheit.

Diese Gegebenheit muss akzeptiert werden; der Mensch ist in die Welt geworfen und muss damit fertig werden, dass er keinen vorproduzierten Sinn mehr vorfindet. Sein Leben ist absurd; die Folge ist ein totaler Weltverlust: "Uns wird jener sonderbare Seelenzustand bewusst" - so schrieb Camus - "in dem die Leere beredt wird".

Der Mythos des Sisyphos

Ein erfülltes menschliches Leben bedeutet für Camus, dass man die Grundtatsache der Absurdität bejaht, ohne auf göttliche Erlösung zu hoffen. Diese Haltung findet sich bei der mythologischen Gestalt des Sisyphos, der von den Göttern verurteilt wurde, immer wieder einen Stein den Berg hinaufzurollen.

Sisyphos ist das Ideal des absurden Menschen, weil er weiß, dass seine immer wieder kehrende Tätigkeit vergeblich und absurd ist. Es geht nun darum, diesen Akt der ständigen Wiederholung nicht mit Resignation auszuführen. Sisyphos wird dabei als ein "glücklicher Sisyphos" vorgestellt, der den Imperativ "das Leben muss gelebt werden" nicht als Last empfindet, sondern als Aufforderung, ständig an sich zu arbeiten.

Die absurde Existenz des Menschen

Camus beschränkte sich in seinen Reflexionen über die absurde Existenz des Menschen keineswegs auf das Individuum; er bezog sich vielmehr in dem 1951 publizierten Werk "Der Mensch in der Revolte" auf die Eingebundenheit des Subjekts in politische Zusammenhänge.

Darin sprach er von historischen Revolten, die zwar das Ziel hatten, das Leben des Einzelnen zu verbessern, aber in einer menschenverachtenden Barbarei endeten. Deshalb wandte sich Camus ausdrücklich gegen die von Hegel formulierte Vorstellung, dass eine projektierte Verbesserung der menschlichen Gesellschaft keinerlei Rücksicht auf das Schicksal der Individuen zu nehmen habe.

Diese Auffassung führte zum Zerwürfnis mit Jean-Paul Sartre, der ihm vorwarf, die Gedanken der marxistischen Revolution verraten zu haben.

Absurdes Ende

Das Phänomen der Absurdität begleitet Camus bis ans Lebensende. Der Nobelpreisträger von 1957, der Zeit seines Lebens das Projekt des "glücklichen Sisyphos" verfolgt hatte, starb am 4. Januar 1960 infolge eines Verkehrsunfalls. Der von Michel Gallimard, einem Neffen von Camus’ Verleger, gelenkte Facel Vega FVS kam ins Schleudern und prallte mit der rechten Seite gegen einen Baum. Gallimard, seine Frau und deren Tochter überlebten den Unfall.

In Albert Camus' Manteltasche fand sich später ein Zugsbillet.

Service

Mehr zu Albert Camus in ORF.at

Albert Camus, "Der Mythos des Sisyphos", aus dem Französischen von Vincent von Wroblewsky, Rowohlt Verlag

Albert Camus,"Der Mensch in der Revolte", aus dem Französischen von Justus Streller, Rowohlt Verlag

Albert Camus,"Die Pest", aus dem Französischen von Uli Aumüller, Rowohlt Verlag

Albert Camus, "Der Fremde", aus dem Französischen von Uli Aumüller, Rowohlt Verlag

Albert Camus, "Tagebücher 1939 - 1951", aus dem Französischen von Guido G. Meister, Rowohlt Verlag

Albert Camus, "Tagebuch. März 1951 - Dezember 1959", aus dem Französischen von Guido G. Meister, Rowohlt Verlag

Wikipedia - Albert Camus