C-Dur - eine Päpstin unter den Tonarten
Die Reine
Nachdem vor zwei Jahren mit einem Feature über a-Moll der Quintenzirkel eröffnet wurde, gibt es nun Wissenswertes und anderes über C-Dur zu hören. Philip Scheiner hat mit Auskennern über Fest und Strahl und andere Eigenschaften gesprochen.
8. April 2017, 21:58
Im 16. Jahrhundert verfiel jemand auf die Idee, den erprobten zehn Kirchentonarten zwei neue hinzu zu stellen: die Äolische und die Ionische. Wenig später hatten die beiden Neuen sich durchgesetzt, sie waren nicht nur Klassenbeste, die anderen blieben auch noch sitzen. Seither schlagen die abendländischen Herzen in Dur und Moll, denn das Äolische wird heute a-Moll genannt - das Ionische heißt C-Dur.
Strahlend, festlich, himmlisch
Anders als das mollige Fräulein, war C-Dur immer klar im Kopf und rein im Herzen. A-Moll musste mehr Deutungen als Komponisten, mehr Interpretationen als Interpreten über sich ergehen lassen. Lieblich sei es, weich, aber dann doch eher faulig und süß, zart, aber morbid - es gibt nahezu nichts, was a-Moll nicht schon gewesen ist. Anders C-Dur; sie war immer nur rein, immer nur hell, immer strahlend, festlich, himmlisch und alles andere als geil. Die Päpstin unter den Tonarten.
Mozarts feierliche Jupiter-Symphonie steht in C-Dur. Richard Strauss ließ seinen Zarathustra über die C-Dur-Leiter steigen. Bach begann sein Wohltemperiertes Klavier natürlich in C-Dur; hat in c-Moll bestimmt die schönere Cello-Suite geschrieben, in C-Dur aber die klarste unter ihnen. Die Meistersinger öffnen in C-Dur die Pforte. Und Haydn hat seinen Herrgott nach der Vorstellung des Chaos auch nicht in Es-Moll sprechen lassen: "Licht". Weil Licht einfach nicht in Es-Moll denkbar ist!
Die Natur schwingt ordentlich
C-Dur ist also das Licht. Man könnte jetzt zu schwatzen beginnen von zwei mal zwei mal zwei mal zwei, bis irgendwann die Zahl 128 rauskommt. Mal zwei? 256 - die Frequenz des eingestrichenen C. Aber man hütet sich vor solchen universalistischen Selbstgesprächen und verkündet gesichertes Wissen: Sinustöne sind jämmerlich. Wenn in der Natur etwas schwingt, dann nämlich ordentlich, also erstens in seiner originalen Schwingfrequenz, in der Folge aber, bitteschön, auch noch in den Frequenzen der Obertöne dieser Schwingfrequenz.
Es ist, wie man in der Sendung Tonspuren erfahren kann, sehr einfach: O drücke doch mit den Fingern auf die Tasten E und G eines Klaviers, sodass die Hämmerchen im Bauch sich von den Saiten lösen und zurück in die Schwerkraft fallen. Tue dies ganz leise. Dann klopfe nach Herzenslust ein kleines Mal auf die Taste C. Höre. Du wirst erleben, dass E und G vor Freude mitsingen - was ihre Kollegen F und Gis und wie sie alle heißen, eher nicht tun. Nicht weil sie träge Säue wären - sie haben nur einfach mit C nicht viel am Hut.
Gesellige Töne
Sehr wohl aber E und G - große Terz und Quinte. Sie ergeben mit dem C einen astreinen C-Dur-Dreiklang. Lupenrein wäre er, hätte jemand das Klavier rein gestimmt. Heute sind eigentlich alle Klaviere gleichstufig gestimmt. Jetzt zu erklären, warum das nötig ist, fehlt mir die Muße. Tatsache ist: Alle wollen zusammen spielen, weil sie alle so gesellige Menschen sind, und daher mussten die Instrumentenbauer und -stimmer irgendwann einmal aufhören, immer nur jeder sein eigenes Brot zu backen, und ein bisschen auf einander zugehen, außerdem haben früher die Tonarten mit vielen Vorzeichen auf dem Klavier hässlich bis scheußlich geklungen, darum hat man sie auch nie gespielt, und da die Menschen immer alles ausprobieren müssen, haben sie es getan.
Es freut mich sehr, dass ich, ausgegangen vom Geschwisterchen a-Moll, die lange Reise, durch alle Kreuz- und b-Vorzeichen, nicht gegangen, sondern gleich bei C-Dur geblieben bin. Damit habe ich mir eine Menge Arbeit erspart.
Hör-Tipp
Tonspuren, Sonntag, 27. Dezember 2009, 21:15 Uhr